Im Interview mit MEDICA.de spricht Prof. Ulf Kulau über die Ballistokardiografie und erklärt, was sie über die Herzgesundheit von Astronauten aussagen könnte.
Herr Prof. Kulau, warum möchten Sie die Vitaldaten des Astronauten Matthias Maurer auf der ISS messen?
Prof. Ulf Kulau: Wir untersuchen die Methode der Ballistokardiografie (BCG), das heißt, wir messen die geringen Beschleunigungen, die durch den Herzschlag an der Körperoberfläche hervorgerufen werden. Mit dem von uns gebauten System können wir kleinste Vibrationen rauscharm messen. Und in der Mikro-G-Umgebung auf der ISS gibt es die Erdbeschleunigung als externen Faktor nicht. So können wir die tatsächliche Beschleunigung durch den Herzschlag als Referenz erfassen.
Wenn wir an die weitere Nutzung der Ergebnisse denken, geht es darum: Astronauten werden zunehmend längere Zeit im Weltraum verbringen, perspektivisch etwa bei Missionen zu Mond und Mars. Ihr Rücktransport zur Erde wird dann wesentlich schwerer sein. Deshalb brauchen wir zukünftig ein gutes und genaues Gesundheitsmonitoring, um frühzeitig Probleme feststellen zu können, da sich durch die Schwerelosigkeit die Herzphysiologie verändert.
Ergeben sich auch medizinische Anwendungen auf der Erde?
Kulau: Die BCG könnte eine Erweiterung darstellen, etwa zur EKG-Untersuchung. Das EKG ist eine sehr robuste und sehr geläufige Methode, mit der BCG ließe sich tatsächlich darüber hinaus auch die Herzphysiologie abbilden. Dafür benötigen wir die Referenzmessungen aus dem All und dann die Möglichkeit, den Einfluss der Erdbeschleunigung herauszurechnen. Aber das können wir über die Signalverarbeitung bewerkstelligen.
Was für Sensoren verwenden Sie?
Kulau: Das sind relativ einfache Beschleunigungssensoren. Wir messen in einem niedrigen Frequenzbereich. Die meisten erhältlichen Sensoren, auch in der Medizin, messen in einem höheren Bereich. Die Beschleunigung, die wir messen, findet im Bereich von wenigen Milli-G statt, da ist das Signal-Rausch-Verhältnis groß. Wir umgehen dieses Problem, indem wir direkt an den Sensoren selbst eine Signalverarbeitung durchführen. So können wir auch diese kleinsten Beschleunigungen sehr gut abgreifen.