Mit welchem Ansatz wollen Sie diese Probleme lösen?
Wiegmann: Wir wollen auf alle künstlichen Oberflächen, die diese Fremdkörperreaktionen, wie die Thrombenbildung, initiieren, Endothelzellen aufbringen – also auf die Hohlfasermembranen und Schläuche. Endothelzellen kleiden im menschlichen Körper die Gefäßinnenwände aus und haben die Eigenschaft, hämokompatibel zu sein, sodass es zu keiner Thrombenbildung kommen kann. Da die körpereigenen Endothelzellen aber nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen, müssen wir auf körperfremde Endothelzellen zurückgreifen, die wir jedoch genetisch so modifizieren, dass sie vom Immunsystem als körpereigen wahrgenommen und daher nicht abgestoßen werden. Eine andere Möglichkeit der Endothelzellquelle sind sogenannte induzierte, pluripotente Stammzellen, aus denen wir Endothelzellen herstellen. Zusammengefasst biologisieren wir die Kunststoffoberflächen mit den Endothelzellen, sodass die sogenannte Biohybridlunge entsteht, die lebenslang hält und bei der die Patienten nicht mehr antikoaguliert werden müssten.
Das Ziel ist, Patienten eine künstliche Lunge, die Biohybridlunge, zu implantieren. Welche Schritte müssen dafür noch gegangen werden?
Wiegmann: Zum einen müssen die Endothelzellen konstant auf die Hohlfasermembranen aufgebracht werden. Wenn man die Biohybridlunge implantieren würde, würden da circa vier bis sechs Liter pro Minute durchfließen. Diesem Fluss müssen die Endothelzellen standhalten.
Auf der anderen Seite ist es so, dass das ECMO-System momentan eine Größe von circa 15x15x5 Zentimetern hat – das kann man natürlich schlecht in den Körper implantieren, sodass hier noch eine Miniaturisierung vorgenommen werden muss. Die sollte dann bestenfalls patientenindividuell erfolgen, da je nach Art und Stadium der Erkrankung verschieden große Gasaustauschflächen für die jeweilige Unterstützung der Patientenlunge notwendig sind. Denn durch die Membrangröße können wir regulieren, wie leistungsfähig die Biohybridlunge wird. Bei der Miniaturisierung sollte man also schon die Individualisierung im Blick haben.
Was denken Sie, wie sich die Forschung zu künstlichen Organen in der Zukunft weiterentwickeln wird?
Wiegmann: Das ist eine spannende Frage. Es gibt parallele Arbeiten: Wir versuchen mit dem sogenannten Tissue Engineering, bestehende Oberflächen mit Endothelzellen zu besiedeln. Es gibt auch den Ansatz, ganze Organe im Labor zu züchten. Und dann gibt es noch die Kombination der beiden Ansätze: Man kann beispielsweise eine Lunge nehmen und die Zellen runterwaschen, sodass nur noch das Lungengerüst übrigbleibt, und anschließend neue Zellen aufbringen.
Unabhängig vom Forschungsansatz muss sichergestellt sein, dass die verschiedenen Zellen einer Lunge in einer ausreichenden Menge vorhanden sind. Denn zum jetzigen Zeitpunkt ist es nicht möglich, dem Patienten diese Zellen zu entnehmen und im Labor hochzuzüchten, sondern es muss körperfremdes Material verwendet und dafür gesorgt werden, dass dieses nicht als solches erkannt wird. Andernfalls wäre man wieder an dem Punkt, an dem wir bei der Organtransplantation immer noch sind: Der Patient muss Medikamente nehmen, damit das Immunsystem die körperfremden Zellen akzeptiert. Das wollen wir natürlich vermeiden, denn wir wollen eine echte Alternative zur Transplantation bieten.
Wir werden sehen, welches dieser Forschungsfelder das erfolgreichste sein wird – ich denke, es wird eine Kombination aus allem sein.