Im Zuge der Corona-Pandemie sind auch ECMO-Systeme bekannter geworden, die auf der Intensivstation eingesetzt werden. Wie könnte man sich im Vergleich ein Unterstützungssystem vorstellen, das Sie entwickeln?
Rossaint: Die ECMO-Systeme sind große, stationäre Geräte, die im Moment vor allem bei COVID-Patientinnen und -Patienten mit akutem Lungenversagen eingesetzt werden. Wenn es aber darum geht, nur einen Teil des Gasaustausches zu übernehmen, kann man aber auch an viel kleinere Geräte denken. Diese Patientinnen und Patienten haben häufig Schwierigkeiten, das CO2 im Blut zu eliminieren. Wenn man also in dieser Situation nur einen Teil des CO2s eliminieren will oder muss, können die Geräte kleiner ausfallen. Diese könnten dann sogar implantierbar sein.
Sie müssten also nicht unbedingt so aussehen wie etwa heutige Herzunterstützungssysteme?
Rossaint: Nein, das könnte man miniaturisieren. Bei uns geht es natürlich auch darum, wie man dieses Ziel erreicht. Da gibt es technisch eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Deshalb arbeitet in allen Teilprojekten unseres Programms auch die Medizin mit Grundlagenwissenschaftlern zusammen, etwa mit Ingenieursfächern, der Physik, Mathematik oder Informatik.
Wann könnte man mit ersten Ergebnissen rechnen?
Rossaint: Ich kann mir vorstellen, dass wir innerhalb der sechs Jahre Förderzeit einige Grundvoraussetzungen dafür schaffen, wie ein solches System aufgebaut sein müsste. Dann werden aber sicherlich noch einmal zehn bis zwölf Jahre vergehen, bis es ein implantierbares Gerät gibt, das wirklich für die Langzeitanwendung geeignet ist.
Wie schätzen Sie die Bedeutung von solchen technischen Ersatzsystemen im Vergleich zur tatsächlichen Organspende ein?
Rossaint: Als sehr hoch. Wir wissen, dass wir gar nicht genügend Transplantatmöglichkeiten für die Lunge haben und dass es auch sehr lange so bleiben wird, wenn man den heutigen Bedarf betrachtet. Wenn man berücksichtigt, wie häufig COPD heute schon zum Tod führt, könnten wir die Leidensphase vieler Patientinnen und Patienten am Ende der Erkrankung deutlich minimieren und dabei helfen, dass ihre Lebensqualität erhalten bleibt.
Die Dialyse gibt es erst seit etwa 50 Jahren, heute ist sie Standard. Herzunterstützungs- und -ersatzsysteme gibt es erst seit 20 oder 30 Jahren in diesem Ausmaß. Ich denke, es wird ähnlich sein, wenn wir eines Tages eine künstliche Lunge haben werden: Es wird eine weite Verbreitung finden, weil der Bedarf nahezu unermesslich hoch ist.