Computertomografie: digitales Signal mit der Photon Counting CT

Wird Medizin digital, indem wir Befunde einscannen und somit digitalisieren? Effizienter ist es natürlich, alle Daten direkt digital zu erfassen. Aber das ist bisher nicht bei allen Geräten für die Diagnostik möglich. Die Computertomografie hat hier jetzt Fortschritte gemacht: In der neuen Photon Counting CT werden – im Gegensatz zur bisherigen CT – Bilddaten direkt digital registriert.

Im Interview mit MEDICA.de erklärt Prof. Nikolaou, wie die Photon Counting CT (PCCT) funktioniert, wo ihre Vorteile liegen und wie Forschung und Gesundheitswirtschaft von digitalen CT-Daten profitieren.

Herr Prof. Nikolaou, wie funktioniert die Photon Counting CT?

Prof. Konstantin Nikolaou: Der Unterschied zu einem herkömmlichen Computertomografen liegt im verwendeten Detektormaterial. Es handelt sich um Halbleiter, Cadmium-Tellurit-Kristalle, die die Photonen der Röntgenstrahlung direkt umwandeln in elektrische Signale. Die bisherigen Detektoren wandeln die Röntgenstrahlung zuerst in Licht und dann mittels Fotodioden in ein elektrisches Signal um. Damit bleibt das Signal im Photon Counting CT immer und vollständig digital. Die ersten Scanner für den klinischen Einsatz mit diesen neuartigen Detektoren sind seit 2021 auf dem Markt.

Welche Vorteile ergeben sich daraus?

Nikolaou: Ärztinnen und Ärzte haben die Möglichkeit, die Dosis der Röntgenstrahlung und damit auch die Bildqualität besser zu regulieren. Eine Röntgenquelle strahlt Photonen mit unterschiedlicher Energieintensität aus, die wir jetzt besser filtern können – zum Beispiel Photonen, die nicht genügend Energie haben und nicht zur Bildkonstruktion beitragen. Oder wir können bestimmte Gruppen von Photonen trennen, das Röntgenspektrum gewissermaßen aufteilen, und damit auch verschiedene Materialien im Bild getrennt voneinander sichtbar machen.

Ein Beispiel dafür ist die Herz-Bildgebung: Wir können versuchen, Kalkplaques, also verkalkte Gefäßwandveränderungen, zu subtrahieren. Vorher war es ein Problem, dass wir bei starker Verkalkung das erkrankte Gefäß nicht mehr gut sehen konnten. Wenn wir die Verkalkung subtrahieren, haben wir einen besseren Blick auf das verbleibende Lumen im Gefäß und können damit auch bei verkalkten Gefäßen Engstellen besser beurteilen. Dazu gibt es schon erste Arbeiten, aber die Studien sind noch nicht umfänglich genug, wir werden noch weitere, multizentrische Studien benötigen, um dieses Potential eindeutig zu belegen.

Es gibt allerdings schon gute Arbeiten dazu, wie wir mit der PCCT Strahlendosis sparen können, weil die Photonen effizienter genutzt werden. Das ist für die Patientinnen und Patienten natürlich grundsätzlich ein großer Vorteil, wenn wir die Dosisbelastung durch CT Untersuchungen senken können.

Darüber hinaus erlaubt das Detektormaterial eine höhere Bildqualität, weil der Detektor nicht mehr in einzelne Detektorelemente unterteilt ist, sondern auf jedem Quadratmillimeter des Detektors die Photonen registrieren kann. Wo bisherige CT eine Auflösung von einem halben Millimeter erreichen, steigt die Auflösung hier um den Faktor zwei oder mehr. Das wird dann besonders spannend, wenn man sich kleinere Gefäße wie die Koronararterien anschaut, kleinste Knochenstrukturen, zum Beispiel im Innenohr, oder auch kleine fibrotische Lungenveränderungen oder Infiltrate.

Ist die Technologie für bestimmte Anwendungen besonders gut geeignet?

Nikolaou: Die Computertomografie ist bisher in fast allen medizinischen bildgebenden Indikationen verbreitet. Ich denke nicht, dass die PCCT ein Spezialscanner wird, mit dem wir uns dediziert nur bestimmte Organe oder Entitäten, wie Herzen oder Tumoren ansehen, oder nur Kinder untersuchen wegen der geringeren Strahlendosis. Hier in Tübingen ist der Scanner seit Oktober 2021 installiert und wir können und wollen das gesamte Spektrum der Patientinnen und Patienten untersuchen. Der Scanner ist nicht explizit für eine CT-Anwendung gemacht, er kann grundsätzlich alle bedienen.

Insofern denke ich, dass jede Patientin und jeder Patient davon profitiert: Kleinere Menschen vielleicht durch eine geringere Dosis, bei Tumoren können wir vielleicht die Struktur und unterschiedlichen Gewebeanteile im Tumor besser charakterisieren, bei kardiovaskulären Erkrankungen vielleicht die Herzkranzgefäße besser darstellen.

Das "Photon Counting-CT-Konsortium" (PC3), das aus den Universitätsklinika Freiburg, Tübingen und Mannheim und den Projektpartnern Siemens Healthineers und BIOPRO Baden-Württemberg GmbH besteht, will jetzt ein Ökosystem rund um diese Technologie aufbauen – was bedeutet das?

Nikolaou: Im Konsortium wollen wir gemeinsam die Scanner-Technologie etablieren, unsere CT Daten zusammentragen und dadurch für die Region einen Mehrwert schaffen, sozusagen eine komplexe Wertschöpfungskette, sowohl für wissenschaftliche Anwendungen wie auch für eine potentielle kommerzielle Nutzung und Entwicklung. Die neuen, komplett digitalen CT-Daten fallen in sehr großem Umfang an – einfach, weil wir auch viel mehr Daten produzieren durch eine höhere Auflösung und die zusätzlichen Spektralinformationen. Wenn wir diese bündeln und zusammentragen, hat das verschiedene nützliche Effekte.

Einmal für akademische Einrichtungen, also die drei Klinika und eventuelle weitere Partner, die zum Beispiel KI-Algorithmen für Bildgebungsanwendungen trainieren wollen. Sie kommen schneller an Bilddaten, wenn diese an drei Standorten gesammelt werden. Alleine, dass wir in diesem Zuge eine digitale Infrastruktur für wissenschaftliche Kooperationen über mehrere universitäre Standorte hinweg etablieren können, ist schon ein großer Mehrwert.

Auf der anderen Seite wollen wir auch gezielt Unternehmen oder Start-ups ansprechen, die Software-Tools in diesem Bereich entwickeln. Damit etablieren wir auch eine wirtschaftliche Anschlussfähigkeit.