Die Arbeiten mündeten vor einigen Monaten in einem Prototyp eines Mehrkanal-Aufnahmegeräts und der laufenden Entwicklung eines dazugehörigen computergestützten Diagnosesystems. Die Gruppe rund um Franz Pernkopf vom Institut für Signalverarbeitung und Sprachkommunikation will das System nun für das Screening von Covid-19-Erkrankten weiterentwickeln. Dafür brauche es Geräuschaufnahmen von Covid-19-positiven Personen in klinischer Behandlung.
Akustische Anomalien in der Lunge sind oft schwer von normalen Lungengeräuschen und anderen Körpergeräuschen wie Herz- und Darmgeräuschen, Sprache oder Husten zu unterscheiden. Die kurz andauernden Geräusche haben eine relativ geringe Amplitude und liegen im tiefen Frequenzbereich, wo das menschliche Gehör eine begrenzte Empfindlichkeit hat und anfällig für Lärmartefakte ist. Das traditionelle Abhorchen mit einem Stethoskop hat daher Nachteile: Die Beurteilung der Lungengeräusche ist subjektiv und schwankt je nach Erfahrung des medizinischen Personals. Ein kontinuierliches Monitoring ist mit Stethoskop – ob real oder digital – nicht möglich.
Der an der TU Graz entwickelte Prototyp erlaubt hingegen qualitativ hochwertige Aufzeichnungen von Lungengeräuschen, anhand derer Lungenkrankheiten und pathologische Lungenzustände objektiver beurteilt werden können. Das ermöglicht eindeutigere Untersuchungsergebnisse und dadurch optimalere Therapien. Pernkopf erklärt die Technik dahinter: "Das Lungengeräusch-Aufzeichnungssystem (lung sound recording system; LSRS) ist mehrkanalig und mit sehr leistungsstarken mikro-elektromechanischen Mikrofonen (MEMS) ausgestattet. Die Aufzeichnung der Lungengeräusche erfolgt nicht-invasiv: Der Patient oder die Patientin legt sich einfach in Rückenlage auf das Gerät." Dieses zeichnet in insgesamt 16 Kanälen die Lungengeräusche während der Atmung auf. Ganz entscheidend sind die Dämpfung von Umgebungs- und anderweitiger Körpergeräuschen und die Qualität der aufgezeichneten Lungensignale.
Das LSRS erfasst Lungengeräusche in einer derart guten Tonqualität, dass die Forschenden an einer computergestützten automatischen Lungengeräuschanalyse arbeiten können. Dafür braucht es zunächst eine Menge Daten, anhand derer das System lernen kann. Eine klinische Studie soll zu entsprechend großen Datensätzen gesunder und pathologischer Lungenaufnahmen verhelfen. "Vorrangig konzentrieren wir uns auf die Lungengeräusche, die mit Lungenentzündungen, Bronchitis, Rippenfellentzündungen, idiopathischen Lungenfibrosen und systolischer Herzinsuffizienz einhergehen", sagt Pernkopf und führt weiter aus: "Dabei brauchen wir Lungengeräusch-Aufnahmen von Menschen aller Geschlechter, verschiedener Altersgruppen und mit unterschiedlichem Body-Mass-Index." Derzeit ist für die Datensammlung eine klinische Studie in Zusammenarbeit mit der Medizinischen und Pharmazeutischen Universität in Ho-Chi-Mhin-Stadt in Vorbereitung.
Eine Anpassung des Systems an Covid-19 typische Lungengeräusche benötigt entsprechende Aufnahmemöglichkeiten bei infizierten Personen.
MEDICA.de; Quelle: Technische Universität Graz