Glaukom: den Augeninnendruck mit einem Mikroimplantat kontrollieren

Chronische Erkrankungen erfordern ein engmaschiges Monitoring für den bestmöglichen Therapieerfolg. Patientinnen und Patienten können aber nicht immer alle notwendigen Messungen selbst durchführen und zwischen ihren Besuchen in der Arztpraxis liegen häufig größere Abstände. Ein neues Implantat könnte diese Lücke beim Glaukom schließen und die Selbstmessung für den Augeninnendruck ermöglichen.

Im Interview mit MEDICA.de spricht Max Ostermeier über das eyemate-System, mit dem Implandata Ophthalmic Products den Healthcare Innovation World Cup auf der MEDICA 2021 gewonnen hat.

Herr Ostermeier, was ist das eyemate-System?

Max Ostermeier: eyemate ist ein implantierbares System, das die telemedizinische Versorgung von Glaukom-Patientinnen und -Patienten ermöglicht. Diese haben einen erhöhten Augeninnendruck, der unbehandelt den Sehnerv schädigt, sodass sie mit der Zeit an Einschränkungen des Gesichtsfeldes leiden und schließlich die Sehfähigkeit ganz verlieren.

Das Problem bei ihrer Versorgung ist aber nicht etwa ein Mangel an drucksenkenden Therapien. Es gibt Medikamente, invasive und nicht-invasive Verfahren. Das Problem ist vielmehr ihre Kontrolle, denn der Augeninnendruck kann heute nur in der Augenarztpraxis gemessen werden. Das passiert bei Patientinnen und Patienten mit diagnostiziertem Glaukom in der Regel alle drei bis sechs Monate, ist also nur eine Momentaufnahme.

eyemate ermöglicht die Selbstmessung im normalen Lebensumfeld über einen Mikrosensor, der ins Auge implantiert wird. Die Patientinnen und Patienten messen mit unserem Handgerät den Druck selbst, ihre Daten werden in unsere Datenbank übertragen. Die Augenärztinnen und -ärzte können diese telemedizinisch überwachen und im Bedarfsfall frühzeitig eingreifen.

Für wen ist es geeignet?

Ostermeier: Der Mikrosensor kann während katarakt- oder glaukomchirurgischen Eingriffen implantiert werden. Allein in Deutschland gibt es etwa eine Million Kataraktoperationen jährlich, etwa 20% dieser Patientinnen und Patienten leiden auch am Glaukom. Bei Glaukomoperationen wird chirurgisch eine Drucksenkung im Auge herbeigeführt, indem der Abfluss verbessert wird. Sie werden in Deutschland einige zehntausend Male jährlich durchgeführt.

All diese Patientinnen und Patienten könnten zukünftig eyemate erhalten. Bisher haben wir eyemate nur im Rahmen von klinischen Studien eingesetzt. Jetzt haben wir eine CE-Zulassung erhalten und können eyemate 2022 in Europa einführen.

Wie funktioniert das System nach der Implantation?

Ostermeier: eyemate ist ein passives System. Es wird von außen Energie zugeführt, ähnlich wie bei der RFID-Technologie. Die Patientinnen und Patienten halten sich das Handgerät für ein bis zwei Sekunden vor das Auge, wodurch der Mikrosensor aktiviert wird und die Messdaten an das Handgerät schickt. Von dort gehen die Daten in unsere webbasierte Datenbank. Die Patientinnen und Patienten können beliebig oft selbst messen. Empfohlen werden drei Messungen am Tag. Wir beobachten, dass viele sogar acht- bis zehnmal messen, weil sie sicher sein wollen, dass die drucksenkende Therapie funktioniert.

Auf der MEDICA 2021 haben Sie den Healthcare Innovation World Cup gewonnen – was bedeutet das für Sie?

Ostermeier: Für uns ist das eine starke Auszeichnung und Anerkennung von dem, was wir hier machen. Sie zeigt, dass wir hier auch einen wichtigen Bedarf adressieren. Wir sind weltweit führend. In den USA gibt es einige Unternehmen mit ähnlichen Technologien, die sich aber noch in einer sehr frühen Phase befinden. Darüber hinaus wird uns jetzt die verstärkte Wahrnehmung in der Medizintechnikindustrie helfen, unser Unternehmen bekannter zu machen. Das ist eine führende Technologie aus Deutschland, darauf kann man, glaube ich, auch ein bisschen stolz sein.

Wie möchten Sie sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln?

Ostermeier: Wir beginnen jetzt mit einer Phase der Pilotvermarktung mit einigen ausgewählten Augenzentren in Europa. Das ist wichtig, um in einem kontrollierten Rahmen auch erste Markterfahrungen zu sammeln, bevor wir den Vertrieb ausweiten auf andere Länder, die die CE-Zulassung akzeptieren.

Das zweite Thema ist die FDA-Zulassung. Wir haben für eyemate die FDA Breakthrough Device Designation erhalten. Damit können wir eine beschleunigte Zulassung in den USA beantragen. Das visieren wir für 2024 oder 2025 an.

Drittens arbeiten wir auch an neuen Entwicklungen. Wir verkleinern den Sensor weiter, sodass er nur noch ins Auge injiziert werden muss und keine OP mehr erforderlich ist. Damit weiten wir auch das Patientensegment aus, das von dieser Technologie profitieren kann.