Im Interview mit MEDICA.de erklärt Prof. Christine Selhuber-Unkel, was hinter intelligenten Implantaten steckt, welche Rolle responsive Materialien dabei spielen und wo sie zum Einsatz kommen könnten.
Frau Prof. Selhuber-Unkel, was verstehen Sie im Kontext Ihrer Arbeit unter "intelligenten Implantaten"?
Prof. Christine Selhuber-Unkel: Das sind für mich autonome Implantate mit einer eingebauten Intelligenz. Ganz explizit enthalten diese Implantate sensorische und aktorische Komponenten, mit denen sie feststellen, ob sich in der Umgebung etwas ändert, und mit denen sie auf diese Änderung auch reagieren können.
Was könnten potenzielle Einsatzszenarien für solche Implantate sein?
Selhuber-Unkel: Es gibt viele Erkrankungen, die eine akute Reaktion erforderlich machen. Man könnte sich zum Beispiel vorstellen, solche Implantate bei Epileptikern einzusetzen. Wenn ein Patient einen epileptischen Anfall erleidet, könnte ein "intelligentes" Implantat diesen Anfall registrieren und dazu passend ein Medikament abgeben.
Eine andere Möglichkeit wäre der Einsatz im Tissue Engineering. Das wäre dann kein klassisches Implantat, wie man es sich so vorstellt, aber Tissue Engineering strebt danach, Gewebe so natürlich wie möglich nachzubilden. Hier könnten Materialien den Aufbau des neuen Gewebes steuern.
Verfolgen Sie am gerade gegründeten Institute for Molecular Systems Engineering (IMSE) dazu bestimmte Ideen?
Selhuber-Unkel: Wir führen zusammen mit den Kollegen im Graduiertenkolleg "Materials for Brain" ein Kooperationsprojekt durch, in dem unter anderem auch an solchen intelligenten Implantaten gearbeitet wird. Dabei verfolgen wir Projekte, in denen wir über responsive Materialien die Freisetzung von Medikamenten steuern wollen. In anderen Projekten geht es darum, das Zellwachstum durch Materialien zu steuern. Eine solche Steuerung ist für den Einsatz von Implantaten sehr wichtig, um eine möglichst hohe Funktionalität zu erreichen.
Inwiefern sind diese Materialien responsiv, also inwiefern sind Sensorik und Aktorik vorhanden?
Selhuber-Unkel: Bestimmte Materialien reagieren auf Änderungen des pH-Werts. Dieser ändert sich zum Beispiel, wenn eine Entzündung im Körper vorliegt. Ein solches Material könnte durch die Freisetzung eines Medikaments die Entzündung bekämpfen.
Responsive Materialien benötigen für ihre Ansteuerung oft noch einen externen Stimulus, zum Beispiel Licht. Von einem vollständig autonomen Material sind wir deshalb noch weit entfernt.