In der laufenden Experimentierzeit auf dem GSI- und FAIR-Campus nutzt TRON in Zusammenarbeit mit der GSI-Abteilung Biophysik die Beschleunigeranlagen für eine neue, vielversprechende Kombination an Therapieansätzen: die Verbindung der Kohlenstoffionentherapie einerseits und der Immuntherapie mit einem mRNA-basierten Krebsimpfstoff andererseits. Die Kombination dieses potenten systemischen Medikaments mit lokalem Schwerionenbeschuss der Primärmasse könnte ein Schlüssel sein, um Krebserkrankungen im fortgeschrittenen Stadium zu besiegen.
Noch ist die Forschung von TRON bei GSI/FAIR ein Blick in die Zukunft. "Die Ergebnisse werden eine erste Orientierung geben, ob die Schwerionen-Strahlentherapie von einer kombinierten Immuntherapie mit Krebsimpfstoffen profitieren kann, und sind aufschlussreich für die Translation von Radioimmuntherapie-Kombinationen unter Verwendung schwerer Ionen in die Klinik", erläutern die beiden TRON-Wissenschaftlerinnen Dr. Fulvia Vascotto und Dr. Nadja Salomon.
"Ziel des aktuellen Experiments bei GSI/FAIR ist es, die Wirksamkeit von Kohlenstoffionen und Röntgenstrahlen (konventionelle Strahlentherapie), jeweils kombiniert mit einem mRNA basierten, für ein Maustumormodell spezifischen Impfstoff, direkt zu vergleichen", erklärt Dr. Alexander Helm, Wissenschaftler in der GSI-Abteilung Biophysik und für die Experimentkoordination zuständig. Das Experiment betritt absolutes Neuland: Eine Partikeltherapie mit Kohlenstoffionen und therapeutische Krebsimpfstoffe wurden bisher noch nie kombiniert.
Das Immunsystem spielt eine wichtige Rolle bei der Vermeidung und Heilung von Krebs. Im Normalfall erkennt es entartete Zellen und kann diese "aussortieren". Doch zugleich besitzt es hochkomplexe Kontrollmechanismen, um Überreaktionen zu vermeiden. Gerade dies können Krebszellen manchmal für sich nutzen und die Immunüberwachung herunterregulieren. Sie verschwinden damit gleichsam vom Radar, tarnen sich so geschickt, dass die körpereigene Abwehr den Feind nicht erkennt oder zu schwach ist, um ihn zu bekämpfen. Eine Immuntherapie kann das Immunsystem in diesem Kampf gegen den Krebs wieder aktivieren.
Der in prä-klinischen Studien bei TRON verfolgte Ansatz führt dazu, das Immunsystem über eine Impfung mit Boten-RNA (mRNA) zu stimulieren. Mit der Impfung – die zerbrechliche mRNA wird dabei in eine schützende Lipid-Hülle eingepackt – erhält der tumorerkrankte Organismus wertvolle Informationen. Wie ein Lehrer instruiert der von den antigenpräsentierenden Zellen aufgenommene Impfstoff spezifisch das Immunsystem, aktiviert es zur Produktion von Antigenen und mobilisiert es gegen die mutierten Krebszellen. Dieser Krebsimpfstoff basiert auf ähnlichen Technologien wie die gegen Covid-19 eingesetzten mRNA-basierten Impfstoffe.
Es gibt bereits einen Hinweis darauf, dass eine konventionelle Strahlentherapie (hochenergetische Röntgenstrahlung) als zweite Komponente neben einem mRNA-Impfstoff Synergien bewirkt, die sich als effizienter in der antitumoralen Wirkung zeigen und das Immunsystem stärken. Die immunologischen Effekte einer Schwerionentherapie sind dagegen weniger bekannt. Die Strahlentherapie mit Kohlenstoffionen wurde bei GSI entwickelt und ist mittlerweile sehr erfolgreich in Heidelberg und Marburg sowie in neun weiteren Zentren weltweit für bestimmte Tumorformen in der klinischen Anwendung. Kann die Strahlentherapie mit Kohlenstoffionen bei bestimmten Tumorarten von Vorteil sein und kann sie neue klinische Perspektiven für mehr Krebspatienten eröffnen? Möglicherweise ist diese Therapieform immunogener, könnte also eine noch stärkere Immunantwort auslösen als eine konventionelle Strahlentherapie und gemeinsam mit einem individualisierten mRNA-Impfstoff dazu führen, dass mehr Patienten auf diese therapeutische Kombination ansprechen. Das ist die Art von Fragen, auf die dieses Proof-of-Concept-Experiment eine Antwort geben möchte.
MEDICA.de; Quelle: GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH