Interview mit Christian Bozsak, Produkt Manager Life Support Systems, Drägerwerk AG & Co. KGaA
01.03.2019
Menschen mit chronisch-obstruktiver Bronchitis, haben eine eingeschränkte Lungenfunktion. Da die Atemwege verengt sind, bekommen sie bereits bei Alltagsbelastungen immer schlechter Luft. Je nach Stadium der Erkrankung sind Patienten auf Beatmungsgeräte angewiesen. Diese sollten das Lungengewebe so wenig wie möglich schädigen und individuell am Gesundheitszustand des Patienten angepasst werden.
Christian Bozsak
Im Interview mit MEDICA.de spricht Christian Bozsak über die Funktionen des elektrischen Impedanztomographen Pulmo Vista 500, die Vorteile, die das Gerät sowohl Patienten als auch Ärzten bietet und darüber, welche Eigenschaften der EIT wegweisend für zukünftige Entwicklungen der lungenprotektiven Bildgebung sind.
Die elektrische Impedanztomographie (EIT) ist ein Lungenmonitoring, das Änderungen der elektrischen Impedanzverteilung innerhalb der Lunge mithilfe von am Torso angebrachten Elektroden überwacht. Bei welchen Erkrankungen wird die EIT eingesetzt?
Christian Bozsak: Die EIT kommt überall dort in der Klinik zum Einsatz, wo sich der Arzt einen detaillierten Überblick über regionale Veränderungen in der Lunge intensivbeatmeter Patienten verschaffen muss, und zwar live während der Beatmung. Typische Krankheitsbilder sind beispielsweise das akute Atemnotsyndrom oder Pneumonie. Letztendlich unterstützt die EIT die Diagnosefindung und ermöglicht eine personalisierte Beatmungstherapie. Mit Hilfe der EIT kann der Arzt den PEEP (positiv endexspiratorischen Druck) am Beatmungsgerät so einstellen, dass die Patientenlunge weder überdehnt wird noch kollabiert. Beides sind gefürchtete Begleiterscheinungen einer maschinellen Beatmung, die zu Lungenschäden führen können und somit die Gesundheit des Patienten einschränken und die Liegedauer erhöhen können.
Welche Vorteile bietet die EIT im Vergleich zu anderen bildgebenden Verfahren der Lunge?
Bozsak: Da EIT-Messungen mit dem PulmoVista 500 bettseitig durchgeführt werden können, muss der Patient nicht unnötig transportiert werden. Die Messung erfolgt mit bis 50 Bildern pro Sekunde in Echtzeit und bietet somit ein kontinuierliches Bild, wie sich das Atemvolumen in der Lunge des Patienten verteilt – anders als etwa bei einer CT (Computertomografie). Die CT gibt zwar ein genaues Bild der Morphologie der Lunge, ist aber eine Momentaufnahme. Veränderungen werden nur durch einen zweiten Scan sichtbar. Die EIT stellt somit eine sinnvolle Ergänzung radiologischer Verfahren dar. So kann die EIT neben der Optimierung von Beatmungseinstellungen auch dafür genutzt werden, für eine Vielzahl von therapeutischen Interventionen von beatmeten Patienten ein direktes Feedback über den gewünschten Behandlungserfolg zu geben.
PulmoVista 500 misst kontinuierlich die regionale Verteilung der Lungenventilation und zeigt Änderung des Lungenvolumens an. Zudem ist das Monitoring nicht-invasiv und erzeugt keine ionisierende Strahlung.
PulmoVista 500 kann neben der Bilderwiedergabe globale und regionale Impedanzkurven und -parameter kontinuierlich in Echtzeit messen, wobei die globalen den Gesamtzustand der Lunge und die regionalen die Lungenfunktion unterschiedlicher Regionen in der Lunge erfassen. Welche Impedanzen und Parameter sind es genau?
Bozsak: PulmoVista 500 stellt kontinuierliche Informationen zur regionalen Verteilung der Ventilation, dargestellt als dynamische Bilder, Kurven und Parameter zur Verfügung. Als Grundlage dient hierfür die Messung des elektrischen Widerstands des Brustkorbs. Der Bildschirm des Elektroimpedanztomografen zeigt Trends der regionalen Verteilung der Ventilation sowie von Änderungen des endexspiratorischen Lungenvolumens (am Ende der Ausatmung an). Mit dem neuesten Software Update 1.2, das Anfang 2018 erschien, kann PulmoVista unter anderem direkt anzeigen, ob Lungenareale bei einem bestimmten PEEP zu kollabieren oder aber zu überdehnen drohen. Orange eingefärbte Regionen stehen dabei für eine sinkende Compliance durch zu hohe Druckwerte und weisen auf eine beginnende Überdehnung hin. Weiß eingefärbte Bereiche dagegen kennzeichnen ein wachsendes Risiko für Kollabieren. Die Software hilft so, den für den jeweiligen Patienten am besten geeigneten PEEP am Beatmungsgerät individualisiert einzustellen.
Wozu dienen jeweils die globalen und regionalen Werte?
Bozsak: Globale Parameter wie die tidale Variation oder die Veränderung der end-exspiratorischen Lungenimpedanz geben Aufschluss über Trends des gesamten Zustands der Lunge. Regionale Informationen können Aufschluss über die regionale Lungencompliance oder das Zeitverhalten einzelner Lungenbereiche geben. Der Mehrwert der EIT liegt nun vor allem darin, regionale Effekte in der Lunge zu visualisieren und somit frühzeitig potentiell schädliche Zustände zu erkennen. Regionale Compliance-Veränderungen und Zeitparameter können über das Bild aufsummiert werden und ermöglichen es, den Gesamtzustand einzuschätzen.
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Dank der optimalen Einstellung des Beatmungsgerätes wird das Lungengewebe geschont und der Patient kann schneller von der künstlichen Beatmung entwöhnt werden.
Welche Vorteile bietet PulmoVista 500 den Patienten?
Bozsak: Maschinelles Beatmen kann bei falschen Therapieeinstellungen zu Schäden an der Lunge bis hin zu Multiorganversagen führen. Informationen zur regionalen Ventilationsverteilung sind für die Therapie maschinell beatmeter Patienten daher sehr wichtig. Der innerklinische Transport kann zudem zu Komplikationen führen. Da die EIT-Messungen bettseitig durchgeführt werden, muss der Patienten nicht zusätzlich transportiert werden. Das Monitoring mit PulmoVista 500 ist zudem nicht-invasiv und erzeugt – anders als bei Röntgenaufnahmen des Thorax und bei der CT (Computertomografie) – keine ionisierende Strahlung. Erste Studien konnten zeigen, dass eine EIT-geführte Beatmungseinstellung zu einer besseren Oxygenierung und Atemmechanik führt. Potenziell schädliche Einflüsse der Beatmung können minimiert werden, was eine bessere Entwöhnung von der Beatmung für diese Patienten ermöglichen kann. Letztendlich können so Patienten von einer perfekt auf ihre Bedürfnisse abgestimmten Beatmungstherapie profitieren.
Können bei der Messung mit PulmoVista 500 Nebenwirkungen im Körper des Patienten auftreten?
Bozsak: Bei der Elektrodenmessung mit dem PulmoVista 500 wird ein sehr geringer, nicht fühlbarer Strom in den Brustkorb eingespeist, während die daraus resultierenden Spannungen gemessen werden. Je nach Luftgehalt in der Lunge ändern sich die Spannungen, woraus sich ein tomografisches Bild ergibt. Da die EIT-Messungen ohne weitere Strahlung erfolgen, können Nebenwirkungen ausgeschlossen werden.
Welche Funktionen sollten weitere Entwicklungen im Bereich EIT aufweisen?
Bozsak: Die EIT ist gerade im Begriff, ein fester Bestandteil der klinischen Routine zu werden. Dies wird daran erkennbar, dass der Einsatz in klinischen Guidelines beschrieben wird und seit Januar 2019 auch ein eigener Operationen- und Prozedurenschlüssel für EIT geschaffen wurde. Unser jüngstes Softwareupdate 1.20 brachte mit "Diagnostics" einen klaren, standardisierten Ansatz zur personalisierten PEEP-Findung von maschinell beatmeten Patienten. Zukünftige Entwicklungen werden diesen Ansatz der bildgeführten Lungenprotektion aufgreifen und es sich zur Aufgabe machen, weitere konkrete klinische Fragestellungen in der Beatmung zu beantworten.
Das Interview wurde geführt von Diana Heiduk. MEDICA.de