Im Interview mit MEDICA.de spricht Prof. Vasiliki Giagka über die Funktionsweise der Mikroimplantate sowie darüber, warum sie eine Alternative zu medikamentösen Therapien darstellen und inwiefern sie querschnittgelähmten Menschen helfen könnten.
Frau Prof. Giagka, Sie haben ein Mikroimplantat zur Stimulation von Nervenzellen entwickelt. Können Sie uns mehr darüber erzählen?
Prof. Vasiliki Giagka: Mein Team und ich entwickeln bioelektronische Implantate, die mit dem Körper interagieren. Ihr Vorgänger ist der Herzschrittmacher, der ja bereits 1958 entwickelt wurde. Unsere Implantate haben jedoch eine Schnittstelle zum Nervensystem und regen dieses künstlich an. Aber auch das ist nichts Neues. Cochlea-Implantate oder Implantate zur Tiefenhirnstimulation funktionieren genauso. Diese Implantate enthalten Elektronik, die die stimulierenden Impulse erzeugt und normalerweise innerhalb eines recht großen hermetischen Gehäuses liegt, aus dem ein langer Draht herauskommt. An dessen Spitze befindet sich eine Elektrode, die nahe der Stelle im Körper platziert wird, die stimuliert werden soll.
Unser Ziel ist es nun, besonders kleine Implantate zu entwickeln – sogenannte Mikroimplantate. Diese können in der Nähe der Organe oder Nerven platziert werden, die anvisiert werden sollen. Dort stimulieren dann kleine elektrische Impulse das Nervengewebe.
Was sind die Vorteile gegenüber anderen Implantaten oder Therapien?
Giagka: Der Unterschied zu früheren bioelektronischen Implantaten besteht darin, dass alles in einem einzigen kleinen Unibody-Implantat oder Knoten enthalten ist. Wir haben nicht die verteilte Anordnung mit dem Gehäuse an der einen Stelle, der Elektrode an einer anderen Stelle und einem langen Draht, der die beiden miteinander verbindet. Das macht sie minimal-invasiv. Sie können auch in einem Netzwerk betrieben werden. Es können also mehrere von ihnen an dem spezifischen Nerv oder an verschiedenen Stellen im Körper platziert werden und miteinander kommunizieren, Informationen austauschen und so die Therapie anpassen. Auch der Arzt ist in der Lage, die Therapie drahtlos einzustellen.
Wir möchten eine Alternative zu konventionellen Pharmazeutika entwickeln. Ein neuronales Signal wird im Körper entweder über elektrische oder chemische Bahnen übertragen. Herkömmliche Medikamente greifen in die chemischen Bahnen ein. Wir versuchen, in die elektrischen Bahnen einzugreifen, um eine Therapie zu ermöglichen, die ähnlich einer medikamentösen Therapie angepasst werden kann, aber nebenwirkungsfrei ist. Medikamente haben Nebenwirkungen, weil sie auf den ganzen Körper wirken. Aber eine Therapie mit einem Mikroimplantat ist lokal, reversibel und nebenwirkungsfrei. Man spricht dabei auch von Elektrozeutika oder bioelektronische Medizin.