Mobile Stroke Units: besseres Outcome nach Schlaganfall
Mobile Stroke Units: besseres Outcome nach Schlaganfall
Interview mit Prof. Heinrich Audebert, stellvertretender Klinikdirektor der Neurologie an der Charité Universitätsmedizin Berlin
02.06.2020
Erleidet ein Patient einen Schlaganfall, wird der Rettungswagen gerufen. Doch der Weg ins Krankenhaus ist zeitaufwendig. Damit Behinderungen und Todesfälle vermieden werden, müssen Patienten schnellstmöglich behandelt werden. Eine aktuelle Studie der Charité - Universitätsmedizin Berlin zeigt, dass mobile Stroke Units hierbei eine maßgebende Rolle spielen.
Prof. Heinrich Audebert, stellvertretender Klinikdirektor der Neurologie an der Charité Universitätsmedizin Berlin.
Im Interview mit MEDICA.de spricht Prof. Heinrich Audebert über Anlass, Herangehensweise und Ziel der Studie zu mobilen Stroke Units, die Vorteile dieser speziellen Rettungswagen und nennt Empfehlungen der Schlaganfall-Akutversorgung für Ärzte, Notfallpersonal und Klinken.
Herr Prof. Audebert, Sie haben eine Studie zur Akutversorgung von Schlaganfall-Patienten in mobilen Stroke Units durchgeführt und diese auf der International Stroke Conference (ISC) in Los Angeles vorgestellt. Was war Anlass dieser Studie?
Prof. Heinrich Audebert: Die Wirksamkeit der medikamentösen Gerinnsel-Auflösung beim Schlaganfall, auch Thrombolyse genannt, ist umso höher, je früher sie begonnen wird. Mobile Stroke Units sind Spezial-Rettungswagen mit eingebautem Computertomographen, die so bereits an der Einsatzstelle eine Schlaganfall-Notfalldiagnostik mit Ausschluss einer Hirnblutung ermöglichen. Die Patienten können dann sofort und deutlich vor Ankunft im Krankenhaus mit der Thrombolyse behandelt werden. Bisherige Studien haben ergeben, dass die Behandlung in mobilen Stroke Units sicher ist und circa 20 bis 30 Minuten Zeit einspart. Auch wenn es in Registervergleichen bereits Hinweise gab, dass dies auch zu einem besseren Behandlungsergebnis bezüglich bleibender Behinderung führt, gab es bisher keine ausreichende Evidenz. Die in Los Angeles vorgestellte Studie ist die erste, die diese Fragestellung in einer kontrollierten Studie untersucht.
Wie war Ihre Herangehensweise?
Audebert: In Berlin sind derzeit drei mobile Stroke Units, auch Stroke Einsatzmobile oder kurz STEMOs genannt, im Einsatz. In der Studie entschied die Verfügbarkeit der STEMOs über die Zuordnung zur Behandlungs- beziehungsweise Kontrollgruppe. Eingeschlossen wurden Patienten mit Durchblutungsstörungen des Gehirns, dem ischämischen Schlaganfall, bei denen im Notrufgespräch ein Verdacht auf einen akuten Schlaganfall gestellt wurde und die bei Eintreffen des Rettungsdienstes neurologische Ausfälle hatten. Ausgeschlossen wurden Patienten mit offensichtlichen Kontraindikationen gegen die Thrombolyse und die mechanische Thrombusentfernung. Als Hauptbehandlungsergebnis wurde nach drei Monaten der Grad der Behinderung mit der sogenannten Modified Rankin Scale untersucht. Sie reicht von 0 mit der Bedeutung "keine neurologischen Defizite" bis 6 mit der Bedeutung "Tod".
Der Einsatz von STEMOs zur Akutversorgung von Schlaganfallpatienten spart nicht nur Zeit, sondern senkt auch das Risiko einer Behinderung.
Mit welchem Ziel wurde die Studie durchgeführt?
Audebert: Das Ziel der Studie war die Klärung, ob der Einsatz der STEMOs in Berlin zu einem besseren Behandlungsergebnis führt.
Welche Geräte befinden sich in den mobilen Stroke Units und welches medizinische Personal ist in den Spezial-Rettungswagen unterwegs?
Audebert: Neben dem Computertomographen und ergänzenden Geräten zur Gefäßdarstellung, wie der CT-Angiographie, sind die STEMOs mit einem Mini-Labor sowie der normalen Ausrüstung eines Notarztwagens bestückt. Neben einem als Notarzt trainiertem Neurologen ist auch immer ein medizinisch-technischer Assistent an Bord. Zudem ist ein Neuro-Radiologe über Teleradiologie bei Einsätzen mit Schlaganfall-Patienten eingebunden.
Worin besteht die Akutversorgung bei Schlaganfallpatienten in mobilen Stroke Units?
Audebert: Die STEMOs werden von der Leitstelle zu den Patienten geschickt, bei denen sich im Notrufgespräch der Verdacht auf einen akuten Schlaganfall ergeben hat. Vor Ort werden neben der üblichen Notfall-Untersuchung eine neurologische Untersuchung, ein Computertomogramm des Kopfes und ein Labortest der Blutgerinnung durchgeführt. Bei schwereren Schlaganfällen wird zusätzlich die CT-Angiographie mit der Fragestellung nach großen Arterienverschlüssen im Kopf durchgeführt. Dann werden die Patienten unter laufender Thrombolyse mit Voranmeldung in eine Klinik gebracht. Dort wird dann eine katheterbasierte Gerinnselentfernung, auch Thrombektomie genannt, durchgeführt.
STEMOS sollen nicht nur in Metropolen, sondern in Zukunft auch in Vororten und ländlichen Gebieten zum Einsatz kommen.
Im Innenraum des STEMOS befinden sich, neben der herkömmlichen Ausstattung eines Rettungswagens, zudem ein CT, Geräte zur Gefäßdarstellung, einer CT-Angiographie und ein Mini-Labor.
Welche Herausforderungen in der Versorgung von Schlaganfallpatienten bestehen weiterhin?
Audebert: Die aktuelle Studie hat deutliche Hinweise dafür geliefert, dass die prähospitale Einleitung der Thrombolyse die Prognose der versorgten Patienten verbessert. Herausforderungen der Zukunft sind eine noch bessere Identifikation von Schlaganfallpatienten im Notrufgespräch sowie die technologische Entwicklung von kleineren und kostengünstigeren Geräten zur Schlaganfalldiagnostik.
Welche Empfehlungen spricht die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft für Ärzte, Notfallpersonal und Klinken aus?
Audebert: Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft empfiehlt, dass die spezialisierten Rettungswagen in Metropolen zukünftig vermehrt verwendet werden sollten, da dort die Anzahl von Schlaganfällen sehr hoch ist und somit eine häufige Nutzung der STEMOs sichergestellt ist. Sie empfiehlt aber auch, den Einsatz in Vororten, kleinen Siedlungen oder ländlichen Gebieten zu evaluieren, da bei der Schlaganfallbehandlung immer jede Minute zählt.
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