Wie aufblasbare OP-Zelte die medizinische Versorgung in Krisengebieten unterstützen
Das Modular Field Hospital (MFH) von Ärzte ohne Grenzen ermöglicht flexible medizinische Hilfe in Krisengebieten. Das Zeltlager ist schnell aufzubauen, anpassbar und bietet unter extremen Einschränkungen dennoch Arbeitsbedingungen, die denen in Standardkrankenhäusern nahekommen.
In dieser Multimediareportage berichten wir über die Funktionen des MFH für den medizinischen Einsatz und geben Einblicke in die herausragende Logistik, die diesen erst möglich macht. Hierzu sprachen wir mit Olivier Brandner, der für die logistischen Abläufe zuständig ist und bei zahlreichen Einsätzen vor Ort war, um das modulare Feldkrankenhaus mit aufzubauen.
Ärzte ohne Grenzen bieten medizinische Nothilfe in Krisenregionen weltweit. Hierzu brauchen sie einen Ort, der die Behandlung und Versorgung von möglichst vielen Patienten und Patientinnen erlaubt. Um genau diesen Ort zu schaffen, entwickelte die Organisation das modular aufgebaute Zeltkrankenhaus, das zum ersten Mal im Jahr 2005 nach einem Erdbeben in Manshera, Pakistan eingesetzt wurde. Zuletzt wurde es im Tschad 2023 genutzt, um Opfern des Krieges im Sudan medizinisch zu helfen, denn die dortige Versorgung war komplett zusammengebrochen.
Das MFH im Tschad 2023
Tage nach Bestellung war das MFH einsatzbereit
Monate war das Mobile Field Hospital im Einsatz
Betten kann das gesamte Lager bereitstellen
Aus dem Nichts zum funktionierenden OP
Zwei der Zelte sind aufblasbar. Dort finden Operationen und die Geburtshilfe statt. Das Video zeigt den Aufbau eines der Zelte im Zeitraffer (Dauer in Echtzeit: 20 Minuten).
Warum werden die Zelte aufgeblasen?
„Die Vorteile des aufblasbaren Zeltes sind die vakuumdichte Umgebung und der schnelle Aufbau, denn es besteht aus nur einem Teil“, erklärt Olivier Brandner. Gleichzeitig hat es aber auch höhere Anforderungen als die übrigen Zelte, betont der Logistiker: „Das Zelt braucht eine Klimaanlage für die Luftzufuhr und für den Aufbau zusätzlich Strom, was immer eine große Herausforderung in Krisengebieten ist. Außerdem ist das Zelt sehr teuer.“
Doch hier schlägt der Nutzen die Kosten. Denn das größte Ziel für das gesamte 15-köpfige Team vor Ort, das aus medizinischen und logistischen Fachleuten besteht, ist es, die bestmögliche Voraussetzung zu schaffen, um steril arbeiten zu können.
Coole Kits und Sets: die Bausteine für medizinische Einsätze auf Knopfdruck
Um ein MFH schnell in Krisengebiete schicken zu können, hat Ärzte ohne Grenzen drei Sets eines kompletten MFH auf Lager, zwei davon in Frankreich in der Nähe von Bordeaux und eines in Belgien. Sie sind immer startklar. Die langjährige Erfahrung innerhalb der Organisation macht möglich, dass alles Nötige für die Behandlung möglichst vieler Personen vorhanden ist. Neben den Sets für das MFH gibt es vorbereitete Kits, deren Inhalte für unterschiedliche Anforderungen zugeschnitten sind und umgehend versendet werden können – Kisten, in denen sich vom Stift bis zum medizinischen Gerät alles Nötige befindet.
Olivier Brandner beschreibt die Kits
Harte Arbeit, schwere Umstände und wenig Zeit: Herausforderungen in der Logistik
Der Transport des MFH-Sets funktioniert nur mit einem passenden Flugzeug.
Olivier Brandner spricht über den Transport des MFH
Zugänglichkeit des Zielortes
Viele Krisengebiete sind aufgrund schlechter oder zerstörter Infrastruktur schwer zugänglich. Der Transport auf der letzten Meile erfordert häufig den Einsatz von kleineren Fahrzeugen oder sogar den manuellen Transport durch Träger.
Umweltbedingungen
Umweltfaktoren wie Regen oder extreme Trockenheit können den Aufbau und die Funktionalität des Hospitals erschweren. Insbesondere in Wüstengebieten kann es schnell zu Überflutungen kommen, wenn es regnet, was die Transportrouten beeinträchtigt und zusätzliche Planung erfordert, um sicherzustellen, dass die Ausrüstung trocken und funktionsfähig bleibt.
Zeitdruck
In Notfallsituationen ist die Zeit ein kritischer Faktor. Der schnelle Transport und Aufbau des Hospitals ist essentiell, um effektive medizinische Hilfe leisten zu können. Verzögerungen im Transport können direkte Auswirkungen auf die medizinische Versorgung und Patientenoutcomes haben.
Sicherheit und Sicherung der Ladung
Die Sicherheit während des Transports ist entscheidend, da medizinische Ausrüstung oft empfindlich ist und sicher verpackt und transportiert werden muss, um Beschädigungen zu vermeiden.
Einsatzort ist nicht gleich Einsatzort
Am Zielort angekommen, müssen zunächst die Gegebenheiten genutzt und wenn möglich angepasst werden, damit das Lager Platz findet. Wo gibt es Wasser, das im MFH aufbereitet werden kann, damit es trinkbar und ständig verfügbar ist? Wie gelangt man an ausreichend Benzin für die Generatoren, die dringend für den Strom benötigt werden? Sind diese grundlegenden Ressourcen vorhanden, funktioniert das Lager autark.
Das Team braucht um die 50 Helfenden für den Aufbau, die sich meist schnell finden, wie Olivier Brandner erlebt hat. Eine Stolperfalle muss aber beinahe jedes Mal überwunden werden: die Sprachbarriere. Sobald das Team dann eine Person findet, die Fragen und Anweisungen übersetzen kann, läuft alles leichter.
Impressionen vom Aufbau des Lagers
Eine genaue Aufbauplanung ist die Basis für den reibungslosen Ablauf
Auf diesem Plan sieht man den Aufbau der Zelte im gesamten Lager.
So sieht der Plan für die Organisation der OP-Räume aus.
Hier findet die Geburtshilfe Platz.
Die Einrichtung in den Zelten: minimalistisch, aber funktional
Der Vorbereitungsraum für den OP
Ein Blick in die Blutbank
Der startbereite Geburtsraum
Im Operationszelt
Der Bereich für stationäre Patienten, das In-Patient-Departement (IPD)
„Die Ausstattung der medizinischen Räume entspricht weitestgehend der in normalen Krankenhäusern“, beschreibt Brandner. Mobiles Röntgen, Anästhesie, Blutbank, Kühlungssysteme, biomedizinische Lösungen – alles ist vor Ort.
Nach bald 20 Jahren im Einsatz hat sich das Modular Field Hospital als effiziente Möglichkeit erwiesen, in Notsituationen auch an schwer zugänglichen Orten medizinische Versorgung zu ermöglichen. Das Team dahinter arbeitet Hand in Hand, für jeden Aufgabenbereich sind Experten und Expertinnen zuständig. Von der Beschaffung über die Logistik bis hin zum ersten chirurgischen Einsatz laufen die Zahnräder ineinander. Nur mit Herzblut und Teamgeist kann das funktionieren.
Multimediale Redaktion und Umsetzung: Natascha Mörs MEDICA.de