Was waren die Ergebnisse der Studie?
Platz: Nach jeweils sechs Wochen wurde betrachtet, wie sich die Armfunktion verbessert hat. Dazu hat man primär den Fugl-Meyer-Test herangezogen, der sehr genau misst, wie gut man den Arm in einzelnen Abschnitten gezielt bewegen kann. Er ist für diese Patientengruppe der internationale Standard, um die motorische Erholung zu bewerten. Ergänzend wurde außerdem der Wolf Motor Function Test durchgeführt.
Beide Gruppen konnten durch das Training ihre Armfunktion verbessern. Bei denen, die tatsächlich eine Stimulation erhalten hatten, waren die Verbesserungen im Test etwa doppelt so stark ausgeprägt. Das ist eine klinisch relevante Verbesserung, die sich sehr stabil gezeigt hat. Die Stimulation steigert die Behandlungseffekte der Trainingstherapie also deutlich.
Was passiert im Körper, wenn gleichzeitig mit den Übungen die Stimulation durchgeführt wird?
Platz: Aus der Studie selbst lässt sich das nicht ableiten, aber es gab schon Experimente an Ratten, die nach einem induzierten Schlaganfall eine Einschränkung an der Vorderpfote hatten. Auch bei den Tieren erholte sich die Funktion der Vorderpfote besser mit einer Stimulation. In den motorischen Arealen ihres Gehirns konnte beobachtet werden, dass die synaptischen Verbindungen bei den mit Stimulation mitbehandelten Tieren stärker aktiviert waren.
Die Annahme ist deshalb, dass der Vagus-Nerv über viele Fasern Reize ins Gehirn trägt. Die Reize einer elektrischen Stimulation kommen im Hirnstamm an und darüber über verschiedene Signalwege ins Großhirn, dessen Aktivität sich dadurch verändert. Bei einer Willkürbewegung, wie dem Training mit dem eingeschränkten Arm, ist es wichtig, dass das Großhirn und die dort für die Bewegung zuständigen Netzwerke aktiv sind und die Kontrolle so wieder besser lernen.
Wie wird sich diese Anwendung in Ihren Augen jetzt weiterentwickeln? Wie bewerten Sie die Aussichten?
Platz: Die Studie hat ein wirklich sehr gutes Ergebnis. Zum einen, dass es bei Personen mit Armlähmungen selbst so lange Zeit nach einem Schlaganfall gelingt, wirklich relevante funktionelle Verbesserungen zu erzielen. Das ist für alle, auch unabhängig von der Vagus-Stimulation, erst mal ein sehr positives Signal.
Zum anderen zeigt die Studie, mit sehr klaren und konsistenten Ergebnissen, dass die Stimulation Effekte einer Trainingsbehandlung relevant verstärken kann und dabei auch nebenwirkungsarm ist und von den Patienten gut akzeptiert wurde.
Hier entsteht ein neuer Denkansatz. Ich würde noch nicht sagen, dass das Ergebnis der Ausgangspunkt ist, diesen Ansatz in die Routine zu übertragen. Er ist kostenintensiv, er ist invasiv und hat gewisse Operationsrisiken, aber er gibt ein wichtiges Signal: Hier könnte, begleitet von weiteren Untersuchungen, eine ganz neue Behandlungsoption entstehen. Der nächste Schritt könnte es sein, die Stimulation des Nervs von außen durch die Haut, ohne Implantation, zu erproben. Wenn man damit ähnliche Effekte erzielen kann und das Vorgehen ebenso gut verträglich ist, könnte man diese Behandlung sehr gut in die Breite tragen.