Könnte diese Technik darüber hinaus noch weiterer Diagnostik dienen?
Debener: Für die Diagnostik würde man normalerweise kürzere Aufnahmen machen, außer bei der Epilepsiediagnostik. Hier versucht man dann auch wieder, möglichst viele Rauminformationen über Aktivitäten aus verschiedenen Hirnbereichen zu erhalten, indem man Ableitungen über den ganzen Kopf verteilt macht. Das sind andere Anforderungen. Die aufgezeichneten Informationen müssen für eine gute Diagnostik maximiert werden. Mit auf der Stirn getragenen Elektroden verlieren wir solche Rauminformationen, dafür bleibt die Verbindung zwischen Haut, Leitgel und Elektrode länger stabil und die Signale bleiben gut.
Wir haben eine verwandte Technologie entwickelt, das cEEGrid, eine C-förmige Messvorrichtung, die um das Ohr herum gelegt wird. Sie ist das Vorgängermodell des fEEGrid. Damit wollen wir langfristig die Steuerung von Hörgeräten über EEG-Signale ermöglichen.
Was wäre der Nutzen einer solchen Steuerung?
Debener: Moderne Hörgeräte sind ziemlich intelligent, weil sie einzelne Geräuschquellen, wie Sprecher oder Musik, verstärken oder unterdrücken. Dabei sind sie aber auch recht unflexibel, da sie den Wunsch des Trägers natürlich nicht kennen. Sie sind häufig so eingestellt, dass sie am ehesten das akustische Signal aus Quellen direkt vor dem Träger verstärken. Menschen wollen aber nicht immer nur das hören, was direkt vor ihnen liegt, sondern zum Beispiel auch seitlich. Unsere eigenen Sinne und unsere Aufmerksamkeit können wir entsprechend steuern und in eine bestimmte Richtung lenken.
Wir möchten Hörgeräten beibringen, adaptiv zu sein und auf die Wünsche des Trägers zu reagieren. Denkbar wäre zum Beispiel, Informationen über die Aufmerksamkeit des Trägers aus dem EEG zu dekodieren und als Steuersignal ans Hörgerät zu schicken. Dazu muss die Technologie gut tragbar, klein und für den Träger am besten unsichtbar sein, also nicht stören oder auffallen. Das wäre vergleichbar mit einer guten Brille, die man nicht wahrnimmt, wenn man sie trägt.
Durch die C-förmigen Elektroden erhalten wir zwar weniger Rauminformationen als mit dem Kappen-EEG, aber wir können einige Signale aus dem Gehirn messen, die wir zur Steuerung von Brain-Computer-Interfaces verwenden könnten.
Wie wollen Sie das Gerät jetzt noch weiterentwickeln?
Debener: Denkbar wären zum Beispiel komfortable Schlaf-EEGs, die sowohl im medizinischen als auch für den Consumerbereich interessant wären. Leider ist es aber meistens schwierig, nach der ersten Förderperiode eine Anschlussförderung zu erhalten, um die Ergebnisse der Grundlagenforschung näher an die Anwendung oder hin zu einem Produkt zu entwickeln. Oft braucht man zwei bis drei Jahre, um eine gute Idee zu entwickeln oder auch um festzustellen, wo die Sackgassen einer Technologie liegen. Wenn es dann produktiv wird, fehlen entweder Personal oder Geld.
Wir haben das Glück, dass wir hier an der Universität Oldenburg zusammen mit der Leibniz Universität Hannover und der Medizinischen Hochschule Hannover das Exzellenzcluster Hearing4All bilden und noch einige Jahre an dem cEEGrid weiterarbeiten können. Für das fEEGrid suchen wir noch nach Fördermöglichkeiten.