Diese seltenen Hirnerkrankungen machen sich unter anderem durch fortschreitende Gangunsicherheit und Sprechstörungen bemerkbar. Hierzulande sind Schätzungen zufolge rund 16.000 Frauen und Männer betroffen.
Die NAF hat auf Grundlage eines Bewerbungsverfahrens, in dem die Qualität der Versorgung von Patientinnen und Patienten und der klinischen Forschung bewertet wurde, den Titel "Ataxia Center of Excellence“ an weltweit 19 Kliniken und Institute verliehen. Nur vier davon liegen außerhalb der USA. Das Tandem aus UKB und DZNE ist die einzige ausgezeichnete Einrichtung in Europa. "Das ist eine große Anerkennung für unser gesamtes Team“, sagt Dr. Jennifer Faber, stellvertretende Leiterin der Spezialambulanz für Ataxien am UKB und wissenschaftliche Mitarbeiterin am DZNE. "Mit der ambulanten und stationären Behandlung sowie interdisziplinären Konferenzen bieten wir ein umfangreiches Angebot speziell für Patienten mit Ataxien. Die enge Verzahnung von Patientenversorgung und Forschung ist herausragend und ein großer Vorteil unseres Standortes.“
Bonn ist seit Jahren ein wichtiges Zentrum der Versorgung von Menschen mit Ataxien und eine treibende Kraft in der Erforschung dieser Hirnerkrankungen. Die Ataxie-Ambulanz des UKB versorgt über 250 Patientinnen und Patienten aus dem gesamten Bundesgebiet. Ihre gesundheitliche Entwicklung wird von den Bonner Fachleuten oft über Jahre hinweg begleitet. Darüber hinaus betreibt das Team um Prof. Thomas Klockgether – er ist auch Direktor der Klinischen Forschung des DZNE und Direktor der Klinik für Neurologie am UKB – diverse klinische Beobachtungs- und Interventionsstudien. Von Bonn aus wird zudem ein europäisches Netzwerk zur Erforschung von Ataxien koordiniert. Über 150 der Patientinnen und Patienten nehmen jährlich an Studienvisiten im DZNE teil und unterstützen so die Forschung im Bereich der zu den seltenen Erkrankungen zählenden Ataxien.
Ataxien sind bislang nicht heilbar. Gemeinsam ist den verschiedenen Varianten eine Schädigung des Kleinhirns. Infolgedessen kommt es zu Störungen in der Koordination von Bewegungsabläufen. Typische Auswirkungen sind Gangunsicherheit und Sprechstörungen. Physiotherapie kann die Beschwerden mildern – die Wirkung ist aber nur symptomatisch und setzt nicht bei den Ursachen an. Thomas Klockgether hat jedoch die Hoffnung, dass es gelingen könnte, zumindest manche Ataxieformen an ihren Wurzeln zu packen. "Die Pharmaindustrie hat erste Wirkstoffe entwickelt, deren Angriffspunkte im Bereich der spezifischen krankheitsrelevanten Gene liegen. Wir sind im Gespräch mit den Herstellern, um an der Erprobung dieser Substanzen mitzuwirken. Für derartige Tests sind große und gut charakterisierte Probandengruppen erforderlich. Solche Studienkohorten haben wir über Jahre hinweg aufgebaut. Das macht uns als wissenschaftlichen Partner für Pharmaunternehmen attraktiv“, so Klockgether.
Ein Schwerpunkt der Ataxie-Forschung in Bonn ist es, früh im Krankheitsverlauf auftretende pathologische Veränderungen des Kleinhirns mithilfe von MRT-Bildgebung zu untersuchen. "Im Rahmen unserer Forschung identifizieren wir Veränderungen des Kleinhirns, die bereits vor dem Beginn von Symptomen, wie etwa Gangunsicherheit, messbar sind“, erläutert Jennifer Faber. "Sollten in Zukunft wirksame Gentherapien zur Verfügung stehen, werden solche Erkenntnisse eine Behandlung bereits vor Symptombeginn erlauben. Damit ist die Hoffnung verbunden, den Beginn der Ataxie, wenn nicht zu verhindern so doch zeitlich nach hinten zu verschieben.“
MEDICA.de; Quelle: Universitätsklinikum Bonn