Bei der Operation mit dem Senhance Surgical Robotic System sitzt der Chirurg direkt an einer Bildschirmkonsole und steuert über Infrarot Eye Tracking die Kamera. Zeitgleich führt er händisch ferngesteuert die Instrumente. Zentraler Vorteil für Operationen bei Kindern sind die erstmals nutzbaren 3 bis 5 Millimeter kleinen Instrumente; bei anderen Roboterassistenzsystemen sind diese mindestens 8 Millimeter groß. Da die Instrumente einen kleinen Aktionsradius haben und abwinkelbar sind, können damit sehr präzise Eingriffe gemacht werden. Das Roboterassistenzsystem gibt den Operierenden außerdem ein haptisches Feedback; ein Tremorfilter sorgt für eine ruhige Hand bei der OP. Ein weiterer Vorteil: Bei den Operationen mit dem Senhance OP-Roboter wird fast ausschließlich mit wieder verwertbaren Instrumenten und Materialien gearbeitet; dieses senkt die Kosten und den Materialverbrauch deutlich und ist auch aus ökologischer Sicht nachhaltig. Für die Operateure bringt das Roboterassistenzsystem ergonomische Vorteile: Dadurch dass sie nicht mehr über lange Zeit am OP-Tisch stehen müssen, reduziert sich die Belastung in der Körperhaltung, unter anderem für Nacken und Rücken.
Inzwischen haben die Kinderchirurginnen und -Chirurgen schon sechs Operationen mit dem Senhance OP-Roboter durchgeführt. Darunter waren unter anderem abdominelle und urologische Eingriffe sowie eine Tumor-Operation. Das erste Resümee: "Die ersten Operationen sind durchweg reibungslos verlaufen“, sagt Prof. Oliver Muensterer, Direktor der Kinderchirurgische Klinik und Poliklinik am Dr. von Haunerschen Kinderspital des LMU Klinikums. "Die Patientinnen und Patienten haben sich in kurzer Zeit gut erholt und konnten alle in den folgenden Tagen in bestem Zustand nach Hause entlassen werden.“ Der OP-Roboter soll zukünftig rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche für Operationen zur Verfügung stehen. Damit geht das LMU Klinikum neue Wege in der roboterassistierten Kinderchirurgie in Deutschland.
"Prinzipiell erscheint es möglich, fast alle Operationen im Bereich des Bauchs und des Brustkorbs mit dem neuen Roboterassistenzsystem durchzuführen, die bisher auf herkömmlichen Wege gemacht werden“, sagt Prof. Jan Gödeke, stellvertretender Direktor der Kinderchirurgie am Dr. von Haunerschen Kinderspital und deutschlandweit erster Professor für Digitalisierung in der Kinderchirurgie. "Operative Erfolgsraten und Komplikationen der pädiatrischen roboterassistierten Chirurgie scheinen nach all unserem bisherigen Wissen denen ähnlich zu sein, die bei der laparoskopischen oder thorakoskopischen Chirurgie beobachtet werden.“ Es gäbe zudem Hinweise auf eine bessere Erholung nach der Operation, weniger Schmerzen der kleinen Patientinnen und Patienten und eine deutlich schnellere Heilung.
Derzeit gibt es allerdings noch relativ wenige Publikationen zum Einsatz von Roboterassistenzsystem bei Operationen an Kindern, existierende Studien haben meist den Fokus auf den Einsatz von Robotersystemen bei Erwachsenen. Deshalb möchte das Team um Prof. Oliver Muensterer und Prof. Jan Gödeke die Forschung in diesem Bereich aktiv angehen: "Studien zum Einsatz von Robotersystem bei Erwachsenen zeigen unter anderem, dass die OP-Roboter präziser arbeiten, dass die Patientinnen und Patienten postoperativ weniger Schmerzen haben und es weniger Blutverlust gibt“, sagt Prof. Oliver Muensterer. "Wir möchten jetzt die spezifischen Vorteile für Kinder aufschlüsseln.“
Innerhalb von sechs Monaten seit der ersten Planung wurde das Robotersystem am LMU Klinikum implementiert. Vor dem Einsatz an den kleinen Patientinnen und Patienten hat sich das Team intensiv vorbereitet: Ein Team aus drei Kinderchirurgen und zwei OP-Schwestern reiste für drei Tage nach Mailand, um ein Teamtraining auf der robotischen Operationsplattform von Senhance zu absolvieren. Zu dem Simulationstraining im Labor gehörte auch Krisenmanagement und Fehlerbehebung. "Ähnlich wie in der Luftfahrt ist der Sinn hinter solchen Simulationstrainings, dass bei unvorhergesehenen Problemen das gesamte Team genau weiß, was zu tun ist und wie es Abhilfe schafft“, erklärt Prof. Oliver Muensterer. "Dies ist entscheidend für die Patientensicherheit, bei der niemals Kompromisse eingegangen werden.“
Der Betrieb des OP-Roboters wird über den Hauner Verein finanziert. "Roboterassistierte Chirurgie bietet große Vorteile für die Patientinnen bzw. Patienten und die Operierenden. Aber sie ist teurer als die konventionelle Chirurgie und in der deutschen Krankenhauserstattung nicht gegenfinanziert. Deshalb sind wir dem Hauner Verein und insbesondere den Stiftern Benno und Lieselotte Grieshaber sowie Ingo Döbel überaus dankbar für die großzügige Spende, ohne die dieser medizinische Fortschritt am LMU Klinikum kaum möglich gewesen wäre“, sagte Prof. Dr. Markus M. Lerch, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des LMU Klinikums bei der Eröffnung des kinderchirurgischen Zentrums für roboterassistierte Chirurgie. Zunächst wird das 1,5 Millionen teure Gerät geleast. Nach der Pilotphase wird entschieden, ob das Gerät übernommen wird.
MEDICA.de; Quelle: Klinikum der Universität München