Schon als Prof. Dr. Heiko Neeb vor 15 Jahren seine Professur im Fachbereich Mathematik und Technik der Hochschule Koblenz am RheinAhrCampus Remagen angetreten hatte, arbeitete er an einer Software für eine verbesserte Diagnostik bei MS-Patientinnen und -Patienten. Diese Software ermöglicht es, aus den MRT-Bildern der Gehirne wertvolle Zusatzinfos über die Wirksamkeit der Therapie zu gewinnen.
Kern der Forschungsarbeit ist das Myelin – also jene Schutzschicht, die die Nervenbahnen umgibt und die dafür sorgt, dass die vom Gehirn ausgesendeten Impulse die Muskeln schnellstmöglich und in der richtigen Stärke erreichen. Bei an MS Erkrankten löst sich das Myelin bestimmter Nervenstränge nach und nach auf, so dass etwa das Laufen oder das Sehen beeinträchtigt werden. "Während MRT-Bilder zwar eine Aussage darüber erlauben, ob jemand generell an MS erkrankt ist oder nicht, konnten diese bislang jedoch nicht dazu dienen, den Abbau des Myelins und damit den Verlauf der Erkrankung festzustellen“, erklärt Neeb, "durch das von mir entwickelte Verfahren ist es möglich zu sehen, wie viel Myelin noch vorhanden ist – das heißt, ob der Abbauprozess durch eine verabreichte Therapie aufgehalten werden kann oder nicht.“
Seine Software stellte der Professor für Medizinische Physik vor 12 Jahren über eine offene weltweite Wissenschaftsplattform der gesamten Forschungsgemeinschaft zur Verfügung: "An die Anmeldung eines Patents habe ich nie gedacht, weil ich wollte, dass meine Ergebnisse jeder nutzen kann und diese auf diese Weise betroffenen Menschen zu Gute kommen.“ Vor vier Jahren erreichte ihn dann eine Nachricht aus den USA, über die er sich sehr freute: Ein Forschungsteam der University of California in San Francisco hatte sein Verfahren aufgegriffen, um ein Medikament – das bislang eigentlich als Anti-Allergie-Medikament dient – auf seine Wirksamkeit bei MS-Patientinnen und -Patienten zu testen: "Die Kollegen berichteten mir, auf der Grundlage meines Verfahrens bereits eine Reihe von sehr brauchbaren Daten erhoben zu haben.“ Das Messprotokoll hatte nachgewiesen, dass das Medikament in bestimmten Regionen der Gehirne Erkrankter zum Wiederaufbau des Myelins, also zur Umkehr des pathologischen Prozesses führen kann.
Gemeinsam führte das transatlantische Forschungsteam dann eine Doppelblindstudie mit 50 MS-Patientinnen und Patienten durch. Die Hälfte der Teilnehmenden bekam in den ersten drei Monate ein unwirksames Placebo, die andere Hälfte von Anfang an das zu prüfende Medikament – ohne jeweils zu wissen, zu welcher Gruppe sie gehörten. Nach Ablauf der drei Monate bekamen alle das richtige Medikament. MRT-Aufnahmen der Gehirne wurden bei allen Teilnehmenden vor der Studie, nach drei Monaten und nach fünf Monaten anfertigt. "Durch das in Remagen entwickelte Verfahren konnten wir feststellen, dass die Dicke der Myelin-Schicht in der Behandlungsgruppe und zeitverzögert auch in der Kontrollgruppe wieder zugenommen hatte“, so Neeb.
MEDICA.de; Quelle: Hochschule Koblenz - University of Applied Sciences