"Mit robotischer Mikrochirurgie die Fehlbarkeit des Menschen ausklammern"
Mit robotergestützten mikrochirurgischen Technologien wird die Chirurgie immer präziser. Diese Technologien ermöglichen es, kleinste Strukturen mit großer Genauigkeit zu behandeln. Gleichzeitig reduzieren sie die körperliche Belastung für Chirurginnen und Chirurgen.
Der Mikrochirurg Dr. Arne Hendrik Böcker ist Chefarzt der Abteilung für Hand-, Periphere Nervenchirurgie und Rehabilitation sowie stellvertretender Klinikdirektor am BG Klinikum Ludwigshafen. Er operiert mehrfach wöchentlich mit dem Operationsroboter Symani. Das mobile Gerät wird für mikrochirurgische Eingriffe an sehr kleinen Nerven und Lymphgefäßen eingesetzt. Mit Dr. Böcker sprachen wir über die Möglichkeiten und derzeitigen Grenzen der Pioniertechnologie.
Themen im Beitrag:
Skills: Was leistet der OP-Roboter Symani?
Ergonomie und Optik: Wie hilft das Exoskop bei einer entspannten Körperhaltung?
Nachteile: Was kann verbessert werden?
Das nächste Level: Telemedizin und Machine Learning in der Mikrochirurgie
Skills: Was leistet der OP-Roboter Symani?
Der Chirurg beschreibt: „Die Faustregel ist: Je kleiner, desto besser. Dann sind die Vorteile des Roboters am größten." Er näht zwar nicht schneller (durchschnittliche Zeit pro Stich: 4,5 Minuten), dafür aber ohne jegliches Zittern und mit einer zwanzigfach verkleinerten Bewegung. „Und daraus resultiert natürlich auch eine geringe Komplikationsrate für den Patienten.“ Die Studie „Technical Strategies and Learning Curve in Robotic-assisted Peripheral Nerve Surgery“ untersuchte den Einsatz des robotergestützten Systems Symani in der peripheren Nervenchirurgie, insbesondere im Hinblick auf die technische Umsetzung, den operativen Ablauf und die Lernkurve der Chirurginnen und Chirurgen. Dabei wurde die Präzision der Robotertechnik bei der Behandlung von Nervenschäden sowie der Einfluss auf die Effizienz und den Lernprozess der Operierenden analysiert.
Hier gibt es einige Ergebnisse der Studie auf einen Blick:
Nervenkoaptionen sind in einer einzigen Operation möglich.
mm Durchmesser: kleinste Blutgefäße sind nähbar.
Stunden Training sind meist ausreichend für Operierende.
So sieht der Workflow mit dem Symani aus:
gesprochene Inhalte auf Englisch
Ergonomie und Optik: Wie hilft das Exoskop bei einer entspannten Körperhaltung?
Das Symani-System kann entweder auf herkömmliche Weise mit einem Mikroskop kombiniert werden oder mit einem Exoskop. Dr. Böcker erklärt die Vorteile aus ergonomischer und optischer Sicht:
Nachteile: Was kann verbessert werden?
Trotz der vielen Vorteile gibt es auch noch Raum für Verbesserungen beim Symani-Roboter. Einer der größten Verbesserungsbereiche ist die Eignung für größere Gefäße und Nerven. Der Symani ist besonders effektiv bei sehr kleinen, feinen Strukturen wie Nerven, Lymphgefäßen und kleinen Arterien, bei denen hohe Präzision erforderlich ist. Für größere Gefäße oder Nerven zeige der Roboter derzeit jedoch weniger Vorteile. Bei größeren Eingriffen greift Dr. Böcker dann auf die herkömmliche Operationsweise zurück.
Dass eine Pioniertechnologie wie der Symani noch weiterentwickelt werden muss, sehe er nicht negativ, sondern er betont, dass jede Technologie immer in der Zusammenarbeit zwischen Industrie und Medizin vorangetrieben werden müsse.
Nachhaltigkeit
Die Griffwerkzeuge sind bisher Einmalartikel, so entsteht viel Müll.
Griffstärke
Begrenzte Griffkraft der Instrumente erschwert das Arbeiten mit stark vernarbtem Gewebe oder dicken Nerven.
Blutgerinnselbildung
Instrumente können durch Blutgerinnsel verunreinigt werden, was zusätzliche Reinigungsschritte erfordert.
Kosten
Ein Symani-System kostet mehrere Hunderttausend Euro, mit zusätzlichen laufenden Kosten für Verbrauchsmaterialien und Wartung. Hohe Investitions- und Betriebskosten begrenzen die Verfügbarkeit der Technologie.
Technische Anforderungen
Zusätzlicher Platzbedarf und Komplexität der Installation im OP-Saal.
Das nächste Level: Telemedizin und Machine Learning in der Mikrochirurgie
Ein entscheidender Schritt für die Zukunft des Symani-Roboters könnte die Integration von Telemedizin sein. Sie könnte es ermöglichen, Operationen aus der Ferne durchzuführen, was insbesondere in abgelegenen Gebieten oder bei der Unterstützung von Fachärztinnen und Fachärzten eine wichtige Rolle spielen könnte. Natürlich könnte über Telemedizin auch einfach ein Experte für bestimmte Eingriffe direkt zu Rate gezogen werden.
„Perspektivisch glaube ich eher an die Machine-Learning-Komponente“, sagt Böcker und erklärt seine Vision im Videostatement:
Der Symani-Roboter bietet eine präzise und tremorfrei ausgeführte Mikrochirurgie, die insbesondere bei der Behandlung kleiner Nerven und Gefäße Vorteile bringt. Durch die Skalierung der Bewegungen und die Entkopplung des Operierenden von körperlichen Belastungen verbessert er sowohl die Genauigkeit als auch die Ergonomie. Zukünftige Entwicklungen wie Machine Learning und Telemedizin könnten das Potenzial der Technologie weiter ausbauen und so die Chirurgie effizienter und zugänglicher machen.
Wie viel autonomes Arbeiten wird dann in Zukunft möglich sein? Werden ethische, emotionale oder technologische Aspekte verhindern, dass es soweit kommt, dass bald jeder operieren kann? Zumindest ist sich Dr. Böcker sicher, dass wir "mit robotischer Mikrochirurgie die Fehlbarkeit des Menschen ausklammern" und damit die Qualität von Operationen auf ein völlig neues Level heben können.
Multimediale Redaktion und Umsetzung: Natascha Mörs