Welche Daten lassen sich mit der sensorbasierten Technologie noch erfassen?
Guntinas-Lichius: Ein Team von Forschenden, dem ich angehöre, arbeitet an einer Technologie, die die Gewebeelastizität misst und den Operierenden haptisches Feedback gibt. Das ermöglicht eine noch genauere Unterscheidung zwischen gesundem Gewebe und Tumor während der Operation. Diese Technologie zeigt viel Potenzial für die Kopf-Hals-Chirurgie und die Neurochirurgie. Die Haptisierung der Information, also den Tumor und seine Grenzen fühlbar zu machen, ist für eine verbesserte und intuitive Operationsführung, insbesondere in der Kombination mit Robotik, eine wichtige Neuerung.
Während der OP müssen Entscheidungen schnell getroffen werden. Wie schnell lassen sich die Daten abrufen?
Guntinas-Lichius: Leider sind bislang keine Echtzeitdaten möglich. Immer noch müssen Chirurginnen und Chirurgen nach der Entfernung des Tumors Proben zur Pathologie schicken, um weitere Untersuchungen durchzuführen. Doch jetzt arbeiten Forschende aus Medizin, Informatik und Physik zusammen, um die Operation schichtweise vorzunehmen.
Anders als die optische Kohärenztomographie (OCT) und die optoakustische Tomografie, mit denen es heute bereits theoretisch möglich ist, einige Zentimeter in das Gewebe vorzudringen, hat die von uns biophotonisch eingesetzt multimodale Bildgebung nur eine geringe Eindringtiefe. Daher basiert unser Konzept darauf, diese Messungen iterativ zu wiederholen, bis der Tumor vollständig entfernt ist – also messen, schneiden, erneut messen, schneiden, und so weiter.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die detailgenaue Visualisierung. Ein spezialisiertes Forschungsteam arbeitet an intuitiven und benutzerfreundlichen Visualisierungssystemen, die zum Beispiel in Endoskopen integriert werden können. Diese Technologie zeigt viel Potenzial und könnte in naher Zukunft die chirurgische Praxis revolutionieren. Aber auch hier stehen wir noch am Anfang. Am Ende wird es an der Rechnerleistung liegen, wie schnell die Daten vorliegen.
Gibt es bereits konkrete Anwendungen oder ist die Technologie noch in der Forschungsphase?
Guntinas-Lichius: Die Technologie befindet sich noch in der Forschungsphase. Erste Studien werden gerade vorbereitet. Doch wie so oft in der medizinischen Forschung dauert es lange, bis alle Studien abgeschlossen sind und neue Technologien zugelassen werden. Wir rechnen mit mindestens zehn Jahren.