Unbehandelt wird die Erkrankung immer schlimmer, bis es schließlich zu einem dauerhaften sogenannten "persistierenden Vorhofflimmern“ kommt. Das Risiko, an Vorhofflimmern zu erkranken, steigt mit zunehmendem Alter an. So sind zirka 10 Prozent der über 75-Jährigen davon betroffen, bei Seniorinnen und Senioren über 85 sind es sogar rund 20 Prozent. Viele Jahre hindurch hat man den Herzschlag standardmäßig mit Medikamenten verlangsamt. Mehr und mehr behandeln Ärztinnen und Ärzte die Störung jedoch direkt am Herzen. Dafür gibt es verschiedene Methoden. Mit einer Katheterablation veröden sie die für die "Störfeuer“ verantwortlichen Herzmuskelfasern mit Hitze, Kälte oder Mini-Stromstößen und schalten sie so dauerhaft aus. Diesen Eingriff nennt man Pulmonalvenenisolation (PVI), da der Grund für die gestörten Signale in den Lungenvenen (Pulmonalvenen) liegt.
Doch bei dieser Methode gibt es ein Problem: "Untersuchungen zufolge kommt es insbesondere bei älteren Patienten mit persistierendem Vorhofflimmern nach einer PVI innerhalb des ersten Jahres in 40 Prozent der Fälle erneut zu einem Rückfall und einem Krankenhausaufenthalt“, erklärt Prof. Dr. Joachim Ehrlich, Chefarzt der Kardiologischen Klinik im St. Josefs-Hospital Wiesbaden. Deswegen vergleicht der Herzspezialist in einem von der Deutschen Herzstiftung mit 50.000 Euro geförderten und international erstmaligen Forschungsprojekt die Pulmonalvenenisolation – die in diesem Fall die irritierenden Herzmuskelfasern mit extremer Kälte (Kryoablation) ausschaltet –, mit einer zweiten Behandlungsmethode: der Schrittmacherimplantation, verbunden mit His-Bündel-Ablation (Ablate and Pace, kurz "AaP“). Hierbei wird den Patientinnen und Patienten ein Herzschrittmacher eingesetzt und in der Folge das His-Bündel verödet. Das ist ein Muskelfasernetz, das die elektrischen Signale an die Herzkammern weiterleitet. "Hier kommt es in weniger Fällen zu erneuten Klinikaufenthalten pro Jahr“, sagt der Chefarzt, der die Studie leitet. "Wir nehmen an, dass die AaP-Strategie im Vergleich zur PVI bei Patientinnen und Patienten, die über 75 sind und an persistierendem Vorhofflimmern leiden, zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität führt.“ Es sei mit dieser Methode davon auszugehen, dass bei älteren Patientinnen und Patienten eine signifikant niedrigere Rate an Krankenhauseinweisungen aufgrund von Herzrhythmusstörungen oder Herzschwäche eintritt. Ob die Hypothese stimmt, das wollen Prof. Ehrlich und seine Mitarbeitenden im direkten Vergleich der beiden Behandlungsoptionen zeigen. Bei den Patientinnen und Patienten, die erneut die Klinik aufgesucht haben, untersuchen die Forschenden in ihrer Studie zudem, ob eine wiederholte Ablationstherapie oder elektrische Kardioversion zur Wiederherstellung des normalen Herzschlags notwendig war oder eine Aufrüstung des implantierten Schrittmachers mittels eines dritten Elektrodenkabels erfolgen musste. "Das ist ein sehr wichtiges und innovatives Forschungsvorhaben, welches dazu beiträgt, die Beschwerden von älteren Patientinnen und Patienten mit persistierendem Vorhofflimmern zu verringern. Prof. Ehrlich und sein Team leisten mit ihrer Studie auch international einen wichtigen Beitrag zur Behandlung von Vorhofflimmern“, betont Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung.
Denn gerade für Ältere mit persistierendem Vorhofflimmern können die Beschwerden im Alltag äußerst belastend sein. "Vielen Betroffenen fallen selbst einfache Tätigkeiten wie das Ausräumen einer Spülmaschine zunehmend schwerer“, berichtet Dr. Andreas Böhmer, Assistenzarzt in der Kardiologischen Klinik im Wiesbadener St. Josefs-Hospital und Koordinator der Studie. Nachts würden die Betroffenen vor Angst wachliegen, weil das Herz unruhig schlage und stolpere. "Das beeinträchtigt massiv die Lebensqualität.“
196 Patientinnen und Patienten in bundesweit fünf unterschiedlichen Kliniken, das St- Josefs-Hospital Wiesbaden eingeschlossen, nehmen an der Studie teil (Standorte: Bad Nauheim, Gießen, Münster, Murnau). Alle sind über 75 Jahre alt und leiden an schwerwiegenden Symptomen des persistierenden Vorhofflimmerns, aber nicht an Herzschwäche oder weiteren bestimmten Herzerkrankungen. Sie werden entweder mit der AaP- oder PVI-Methode behandelt und drei, sechs und zwölf Monate danach untersucht. Mittels Fragebögen wird die persönliche Einschätzung der Lebensqualität erfasst. 2025 sollen die endgültigen Resultate vorliegen. Mit den ersten Zwischenergebnissen zeigt sich Prof. Ehrlich zufrieden: "Sie bestätigen unsere Hypothese, dass das AaP-Verfahren zur Behandlung von älteren Menschen mit Vorhofflimmern der PVI hinsichtlich oben genannter Untersuchungspunkte überlegen ist.“ Wann die Endergebnisse jedoch im Klinikalltag Anwendung finden, sei offen. "Forschungsarbeit ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“
MEDICA.de; Quelle: Deutsche Herzstiftung e.V./Deutsche Stiftung für Herzforschung