Im Interview mit MEDICA.de spricht Andrei Vakulenko über den Einsatz von 3D-Scannern in der Orthopädietechnik und wie sie die Art und Weise, wie Prothesen und Orthesen erstellt werden, verändern.
Herr Vakulenko, welche Bedeutung haben 3D-Scanner heute in der Orthopädietechnik?
Andrei Vakulenko: Ich denke, wir müssen zunächst zwei zentrale Aspekte der Orthopädietechnik berücksichtigen. Einerseits handelt es sich bei den Werkstätten der Orthopädietechniker traditionell um Orte, in denen echte Handarbeit geleistet wird. Die Techniker verwenden Gips, um Negativformen von Körperteilen zu erstellen, und arbeiten mit althergebrachten Werkzeugen, um ihr spezielles Produkt zu erschaffen. Auf junge Fachkräfte hat dieses Umfeld, das fernab von Hightech und Medizin stattzufinden scheint, oftmals keine anziehende Wirkung.
Zum anderen bietet ein zunehmend digitaler Arbeitsablauf viele Chancen. Wir können eine Art Konsolidierung beobachten, in der sich kleinere Firmen zu größeren Netzwerken zusammenschließen. Techniker stellen nicht jede Prothese selbst her. Sie nehmen vielmehr Maße und schicken diese an einen Hersteller im Verbund. Das stellt eine Art der Industrialisierung dar. In diesem Umfeld ist es selbstverständlich viel einfacher, einen 3D-Scan zu verschicken als einen Gipsabdruck. Selbiges gilt auch für die Lagerung.
Wie verändert das die Branche?
Vakulenko: Was wir beobachten können, ist weitreichende Diversifizierung. In einem der Teilbereiche der Branche verwendet die Orthopädietechnik immer mehr Standardprodukte, die nur geringfügig an den Träger angepasst werden.
Der andere Teilbereich baut maßgeblich auf die Individualisierung. Wenn der Träger kein Produkt von der Stange will, erwartet er, dass seine Prothese oder Orthese speziell für ihn angefertigt wird und seine individuellen Bedürfnisse abdeckt. So hat beispielsweise einer unserer Partner für einen Kunden, der teilweise die motorischen Fähigkeiten seiner Hand verloren hat, eine Orthese speziell zum Angeln angefertigt.
Diese Individualisierung beobachten wir auch bei Jugendlichen und Teenagern. Bislang versuchten sie oftmals, Orthesen oder Prothesen zu verstecken. Heutzutage hingegen bieten Orthopädie-Firmen moderne, stylische Produkte an, die die Träger auch zeigen wollen. Dieser Umstand ist insbesondere aus psychologischer Sicht entscheidend, da sich die Träger dadurch mit ihrer Orthese oder Prothese wohler fühlen.
Damit diese individuellen Designs und Geräte hergestellt werden können, müssen die Techniker spezielle, genau auf diesen Zweck zugeschnittene Software einsetzen. Mit harten Materialien wie Gips lässt sich dies selbstverständlich nicht verwirklichen. Der Körper des Kunden muss unter Zuhilfenahme eines 3D-Scanners digitalisiert vorliegen, um ein passendes Produkt erstellen zu können.