Reha mit Roboter – robotikgestützte Therapie in der Neurologie
Reha mit Roboter – robotikgestützte Therapie in der Neurologie
Interview mit Michael Klein, Therapieleitung und Therapieplanung, Helios Klinik Hattingen
03.06.2019
Möchten Patienten nach einem Schlaganfall Bewegungen neu erlernen, so müssen diese häufig wiederholt werden. Das ist jedoch mit extremer Anstrengung verbunden. In der Industrie werden überall dort, wo Aufgaben mit vielen Wiederholungen oder hohem Kraftaufwand erledigt werden müssen, Roboter eingesetzt. Was in der Fabrik seit Jahrzehnten funktioniert, findet heute vermehrt Einzug in die Rehaklinik.
Michael Klein, Therapieleitung und Therapieplanung in der Helios Klinik Hattingen
Im Interview mit MEDICA.de spricht Michael Klein über robotikgestützte Therapie, welche Vorteile sie für die Rehabilitation von neurologischen Patienten hat und warum Roboter nie den Menschen ersetzen werden.
Herr Klein, Sie bieten in Ihrer Klinik robotikgestützte Therapie an. Was bedeutet das genau?
Michael Klein: Das bedeutet, dass wir für die motorische Therapie unserer Patienten elektromechanische Geräte einsetzen. Diese werden zur Unterstützung der Mobilisation, des Gangtrainings und des Trainings der Arm- und Handfunktion verwendet. Wie diese Therapie genau aussieht, hängt vor allem davon ab, welche Schädigung der Patient hat und welches Therapieziel verfolgt wird. Wir sind eine neurologische Klinik. Das heißt, unsere Patienten haben häufig eine zentrale Störung aufgrund eines Schlaganfalls oder eines Schädel-Hirn-Traumas oder die Symptomatik einer inkompletten Querschnittlähmung. Es sind also Patienten, die das Gehen oder die Bewegung der oberen Extremitäten neu erlernen müssen. Nach der Symptomatik und dem Ziel orientiert sich dann der Geräteeinsatz.
Der Armeo Spring richtet sich an Patienten mit Beeinträchtigungen der Hand- und Armfunktionen. Durch die Verbindung mit einem Computerspiel ist die Therapie motivierender als konventionelle Maßnahmen.
Welche Geräte setzen Sie ein?
Klein: Wir nutzen die Geräte der Firma Hocoma. Wir haben zwei Lokomaten bei uns im Haus. Das sind Roboter für das Gangtraining und die Wiedererlangung der Gehfähigkeit. Mit unseren zwei Erigos können wir stärker betroffene Patienten therapieren. Für das Training der oberen Extremitäten nutzen wir Armeos, von denen auch einer speziell für den pädiatrischen Bereich konzipiert ist. Außerdem haben wir einen Andago, ein mobiles Ganggerät.
Der Lokomat ist eine robotergestützte Gangorthese. Computergesteuerte Elektromotoren stimulieren und unterstützen beim Gehen auf dem Laufband. Sensoren ermitteln den Krafteinsatz bei der Laufbewegung.
Mit dem Erigo, einem verstellbaren Kipptisch, können neurologisch schwerstkranke Patienten vertikalisiert werden. Das Gerät führt außerdem Beinbewegungen aus, was Kreislauf und Muskelfunktion verbessert.
Der Andago ist ein mobiler Gangroboter. Er schließt die Lücke zwischen dem Gangtraining auf dem Laufband und freiem Gehen.
Welche Vorteile hat eine Therapie mit diesen Geräten?
Klein: Wir haben einfach ganz andere Möglichkeiten, wenn es um das Gangtraining oder das motorische Lernen im Allgemeinen geht. Sie müssen sich das so vorstellen: Wenn Sie gehen, überlegen Sie nicht, wie Sie den nächsten Schritt machen oder Ihren Fuß aufsetzen müssen. Das funktioniert automatisiert, weil Sie das als kleines Kind mal gelernt haben. Bei unseren Patienten ist aber sozusagen dieses Programm teilweise gelöscht. Es ist nach dem Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma nicht mehr abrufbar. Dieses Programm muss also in Teilen neu geschrieben werden. Die Voraussetzung dafür ist, dass die neu zu erlernenden Bewegungen in erheblicher Anzahl wiederholt werden müssen – und die liegt im mindestens vierstelligen Bereich. Das können wir in einer manuellen Therapie gar nicht erreichen. Wenn ein Patient, der nicht gehen kann, jedoch tausende von Schritten machen muss, dann brauchen wir dafür eine Apparatur, die das bewerkstelligen und ihn dabei unterstützen kann. Zum Beispiel wird der Lokomat mit vier Elektromotoren angetrieben, von denen zwei im Hüft- und zwei im Kniebereich des Patienten platziert werden. Innerhalb dieser elektromechanischen Einheit sind dann Sensoren verschaltet, die darüber Rückmeldung geben können, wozu der Patient imstande ist. Damit können wir den Roboter und die Intensität seiner Bewegungen so einstellen, dass wir genau auf die Bedürfnisse des Patienten eingehen.
Die Helios Klinik Hattingen verfügt über verschiedene robotikgestützte Therapiemöglichkeiten für neurologische Patienten.
Inwiefern ist eine Physiotherapie mit robotischen Geräten erfolgsversprechender als eine manuelle Therapie?
Klein: Bei einer robotikgestützten Therapie wird das Ziel schneller erreicht. Roboter beschleunigen also den Rehabilitationsprozess. Sie unterstützen den Physiotherapeuten ganz erheblich und können die Patienten in einen intensiveren Anstrengungsbereich bringen, der manuell vielleicht nicht erreicht werden würde. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt ist die mediale Ansteuerung der Geräte. Beim Armeo befindet sich der Patient beispielsweise in einer virtuellen, interaktiven Welt, in der er sich durch die Steuerung seiner betroffenen Arme bewegen kann. Das ist natürlich auch ein motivationaler Faktor, der für das Erreichen des Therapieziels ganz entscheidend ist.
Ihre Einschätzung: Nehmen Roboter in der Medizin also bald gänzlich den Platz des Menschen ein?
Klein: Ich kann natürlich nicht in die Zukunft gucken, aber meiner persönlichen Meinung nach werden sie das nicht. Wir brauchen die fachliche Expertise, die den Roboter einsetzt. Man weiß natürlich nicht, wie weit sich die Künstliche Intelligenz entwickeln wird und wie das in zehn Jahren aussieht. Mit Sicherheit wird es dann intelligente maschinelle Systeme geben, die auch Entscheidungen treffen können. Aber dennoch glaube ich, dass wir immer Menschen – in unserem Fall Therapeuten – mit einer entsprechenden Kompetenz benötigen werden, die die Gerätschaften einzusetzen wissen. Bei uns im Haus ist es so, dass nicht der Roboter einen Mitarbeiter ersetzt, sondern der Mitarbeiter instrumentalisiert den Roboter, um den Rehabilitationsprozess des Patienten zu beschleunigen.
Das Interview wurde geführt von Elena Blume. MEDICA.de