Was konkret hat die Verbesserungen verursacht?
Mertens: Die einzige Intervention war die Aufforderung, bei einem Temperaturanstieg die Füße hochzulegen. Wir konnten damit die körperliche Aktivität so reduzieren, dass die Temperatur wieder abfiel. Da die Messung in einem geschlossenen Schuh schwierig ist, haben wir für diese Untersuchung Pantoletten verwendet, um einen Temperaturstau, zum Beispiel auch durch Reibeflächen, zu verhindern.
Auf eine kontinuierliche Temperaturmessung haben wir bewusst verzichtet. Wir wollten die Menschen motivieren, regelmäßig zu messen. Bei mehr als einem Alarm pro Woche werden Versuchspersonen unruhig und setzen das System nicht mehr gerne ein.
Wie wichtig war die eigene telemedizinische Infrastruktur?
Mertens: Wir hatten die App so gestaltet, dass man die Füße mit einer Sichtschablone fotografieren kann. Das können Angehörige machen oder die Betroffenen mit einem Selfiestick. Mehr als 80 Prozent der Patientinnen und Patienten haben das gemacht. Es gab also Temperaturdaten, Fotos und einen Fragebogen. Darüber hinaus konnten die Teilnehmenden uns Informationen senden.
Auf unserer Seite verlief das Prozedere schnell, da wir alles standardisiert haben. Nur so konnten wir die Entwicklung von 140 Teilnehmenden in einer halben Stunde am Tag gut überschauen. Aber es muss natürlich in Zukunft gewährleistet sein, dass auch unsere zeitlichen Ressourcen für das Monitoring finanziell abgebildet werden.
Was sind die nächsten Schritte zur Marktreife?
Mertens: Der Zulassungsprozess ist in Deutschland aufwendig und teuer. Wir veranschlagen mindestens 18 Monate. In unserem Gesundheitssystem gibt es noch keine telemedizinische Anwendung. Aber wir wollten nicht, dass die Patientinnen und Patienten allein gelassen werden und ihre Daten selbst interpretieren müssen.
Wenn man damit zwei Drittel der Geschwüre verhindern kann, haben wir einen großen Effekt. Es gibt rund 35.000 Amputationen pro Jahr in Deutschland, 75 Prozent sind durch Diabetes und Empfindungsstörungen verursacht.
Wir sondieren Kooperationsmöglichkeiten, auch beim Aufbau einer Digitalisierungsplattform. Die Zusammenarbeit mit einem der großen Player, der für eine Telemedizin-Plattform schon die Voraussetzungen hat, wäre hilfreich. Die Frage beim Austausch der Daten ist: Wem gehören die Daten? Das ist noch nicht definiert, hier müsste die Politik die Regeln vorgeben.
Beteiligt war auch ein orthopädischer Schuhmacher, Interesse und Unterstützung fanden wir in der Berufsgruppe der Podologen. Sie sind am nächsten an den Patientinnen und Patienten und könnten das System fast wie ein Berufswerkzeug nutzen.