Eine mögliche Ursache von ischämischen Schlaganfällen sind sogenannte atherosklerotische intrakranielle Stenosen. Dabei handelt es sich um Verengungen der Gefäße innerhalb des Schädels durch Einlagerungen von Fetten wie Cholesterin in die innere Schicht der Gefäßwände. Umgangssprachlich ist oft von "Gefäßverkalkung“ die Rede. Die Einlagerung von Fetten und anderen Stoffen in die Gefäßwände verengt die Gefäße – bis hin zum Verschluss. Bei "People of Colour“ und bei Menschen asiatischen Ursprungs geht ein Drittel aller ischämischen Schlaganfälle auf das Konto der hier lokalisierten Atherosklerose. Bei Kaukasierinnen und Kaukasiern wurden bei 12% aller, die einen ischämischen Schlaganfall oder einen "ischämischen Minischlaganfall“, eine sogenannte transitorische ischämische Attacke (TIA), erlitten haben, atherosklerotische Stenosen im Gehirn gefunden, vor allem bei den älteren Menschen.
Die Überlegung, diese Patientinnen und Patienten neben der medikamentösen Prophylaxe (duale Plättchenhemmung) zur Verhinderung von Folgeschlaganfällen zusätzlich mit Stents zu versorgen, um die Gefäße auch nach einem akuten ischämischen Schlaganfall dauerhaft offenzuhalten, hatte somit eine nachvollziehbare Rationale. In den Jahren 2014/2015 führten dann allerdings mehrere randomisierte Studien, darunter SAMMPRIS und VISSIT, zu Zweifeln an der Effektivität von intrakraniellen Stents zur Sekundärprophylaxe von Schlaganfällen bei symptomatischen, intrakraniellen Stenosen. Die gestenteten Patientinnen und Patienten hatten ein schlechteres Outcome. Die Deutsche Schlaganfallgesellschaft, der Berufsverband Deutscher Neuroradiologen (BDNR), die Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) und die DGN kritisierten seinerzeit diese Studien: So waren Betroffene mit einem instabilen neurologischen Zustand, die unter Umständen einer Akutintervention bedurften, explizit ausgeschlossen worden. Auch die hämodynamische Relevanz der Gefäßeinengung fand keine Berücksichtigung. Die Fachgesellschaften nahmen die Position ein, dass die Datenlage zwar gegen eine unselektive, aber nicht generell gegen die Anwendung dieser Behandlungsmethode spreche. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschloss 2016 den weitgehenden Ausschluss des Einsatzes von Stents in der Behandlung von Patientinnen/Patienten mit intrakranieller Stenose.
In der hier referierten aktuellen Studie wurden ausschließlich TIA- und Schlaganfallpatientinnen und -patienten mit fortgeschrittenen intrakraniellen Stenosen (70%-99% Lumeneinengung) eingeschlossen. Doch wieder handelte es sich um Betroffene, bei denen der ischämische Schlaganfall nicht zu relevanten klinischen Beeinträchtigungen geführt hatte (Modified Rankin Score von 0-2). Auch in den alten Studien waren nur Patientinnen und Patienten eingeschlossen worden, die klinisch stabil waren.
In der aktuellen Studie wurden 358 Betroffene randomisiert und erhielten entweder eine duale Plättchenhemmung oder zusätzlich zu dieser medikamentösen Therapie auch eine interventionelle Versorgung mit Stents durch Neuroradiologen. Der primäre Endpunkt umfasste das Risiko für einen Folgeschlaganfall und/oder Tod und es zeigte sich, dass es zwischen beiden Behandlungsgruppen diesbezüglich keinen signifikanten Unterschied gab (8,0% vs. 7,2%; p= 0,80). Auch im Hinblick auf die sekundären Endpunkte, darunter das Auftreten von Folgeschlaganfällen im Gebiet der Stenose, unterschieden sich die Studiengruppen nicht. Zudem gab es einen Trend zu einer erhöhten Sterblichkeit in der Interventionsgruppe. In der Stent-Gruppe betrug die 3-Jahres-Mortalität 4,4%, in der konventionell behandelten Gruppe 3,2% (p=0,08).
"Das Ergebnis bestätigt das der Studien, die bereits vor acht Jahren erschienen sind, und zeigt: Bei Patientinnen und Patienten mit intrakraniellen Stenosen, die in einem klinisch stabilen Zustand sind, und deren Stenosen somit keine hämodynamische Relevanz haben, bringen Stents keinen Zusatznutzen – und wieder können wir schlussfolgern, dass der interventionelle Eingriff nicht unselektioniert erfolgen sollte. Wie damals müssen wir aber erneut konstatieren: Es gibt Indikationen, bei denen die Intervention trotzdem gerechtfertigt sein kann“, erklärt Professor Dr. Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der DGN. Wie der Experte weiter ausführt, sei das z.B. bei Schlaganfällen ausgelöst durch hämodynamisch relevante Stenosen der Fall, die sich gegenüber der medikamentösen Behandlung als therapieresistent erweisen. Das bedeutet, dass es trotz der antithrombotischen Therapie zu weiteren TIAs oder einem erneuten ischämischen Schlaganfall kommt. Auch der G-BA sieht vor allem eine Indikation zur Stentimplantation bei Patientinnen und Patienten mit einer intrakraniellen Stenose mit einem Stenosegrad von mindestens 70 %, die nach einem stenosebedingten Infarkt trotz nachfolgender intensiver medikamentöser Therapie mindestens einen weiteren Infarkt erlitten haben.
MEDICA.de; Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.